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Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott
Autoren: Wolf Haas
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beobachten, Schlauch, Zapfhahn, Einweghandschuhe, alles. Und du darfst eines nicht vergessen. Die beweglichen Zahlen, etwas Schöneres gibt es nicht für eine Kinderseele.
    Er ist so schnell wie möglich durch die Autotür geschlüpft und hat sie hinter sich zugeschlagen, da hätte man glauben können, Tankstellenüberfall. Aber er hat eben verhindern wollen, dass zu viele Dämpfe zur Helena hineinkommen. Weil die giftigen Dämpfe natürlich, die sind schon ein bisschen für ein Kind. Also ich will nicht unbedingt sagen schädlich, aber gut bestimmt nicht. Umgekehrt hat der Fahrer sich gesagt, und da waren jetzt vielleicht schon wieder die Tabletten ein bisschen an der Arbeit: Ein paar Dämpfe muss ein gesundes Kind aushalten.
    Beim Tanken hat er durch das Seitenfenster hinein ein paar Gesichter geschnitten für die Helena. Aber kein Effekt, weil sie hat ihn ganz ruhig angeschaut. Und der Chauffeur hat sich gedacht, siehst du, die Helena weiß genau, dass ich im Grunde nicht so ein Grimassenschneider bin, und dann hat er normal geschaut, und pass auf: Jetzt hat die Helena gelächelt. Da siehst du schon, was für ein Einverständnis die beiden gehabt haben, kein Wunder, wenn man schon so viele Stunden gemeinsam auf der Autobahn verbracht hat.
     
    Aber dann das Scheibenwaschen, das glaubst du gar nicht, was das für ein Hallo bei der Helena war, da hat der Chauffeur Angst gekriegt, die Alarmanlage geht los, so hat das Kind gelacht und gestrampelt, wie der Schwamm über die Windschutzscheibe gefahren ist, und nachher mit dem Gummi das Wasser abstreifen, das hat ihr fast noch besser gefallen. Jetzt hat der Chauffeur sich gesagt, in Zukunft werde ich immer erst unterwegs tanken, wenn ihr das so gefällt, und er hat sogar extra die sauberen Seitenscheiben auch noch geputzt, und die Heckscheibe, aber da hat die Helena nicht mehr so viel davon gehabt, weil Schwierigkeiten mit dem Umdrehen im Kindersitz.
     
    Bevor er zum Zahlen in den Shop hineingegangen ist, hat er das Auto ein paar Meter zur Seite gestellt, ein bisschen weg von den Dämpfen, zum Druckluftgerät hinüber.
     
    »Ich bring dir eine Schokolade mit«, hat er beim Aussteigen gesagt, weil nie »Schoggi« oder irgendwie Babysprache, sondern der Fahrer immer korrektes Deutsch mit der Helena, aus Prinzip. Schokolade war aber trotzdem nicht ganz korrekt, weil eigentlich hat die Frau Doktor ihm eingeschärft: »Keine Schokolade, Herr Simon. Überhaupt kein Zucker!«
     
    Der Herr Simon hat der Frau Doktor schon tausend Mal erklärt, dass es ja vorläufig erst die Milchzähne sind, dass da sowieso noch ein zweites Paar kommt, also Paar nicht, sondern eben eine zweite Belegschaft quasi, und da kann man dann immer noch sagen, weniger Schokolade. Oder zumindest, nicht beißen. Die Frau Doktor natürlich wieder alles besser gewusst, obwohl sie gar keine Zahnärztin war, und der Chauffeur hat sich manchmal im Stillen gedacht, bei ihren Abtreibungen werden ihr noch nicht so viele Zähne untergekommen sein. Aber Argumente sinnlos, weil dann hat sie eben behauptet, die Schokolade auch schlecht für den Ausschlag, den die Helena an den Händen gehabt hat.
    Sonst eine ausgesprochen nette Frau. Nett, intelligent, Spitzenfigur, alles. Der Chauffeur hat den Kressdorf sogar ein bisschen um sie beneidet, aber es war kein böser Neid, sondern fast möchte ich sagen, ein positiver Neid, und das muss auch von den Tabletten gekommen sein. Weil er hat sich gesagt, warum soll sich eine Frau wie die Frau Doktor einen wie mich suchen, wenn sie einen wie den Kressdorf haben kann. Früher hätte er das vielleicht auch denken können. Aber früher wäre derselbe Gedanke erstens gegen die Frau gegangen, zweitens gegen den Mann, drittens gegen sich selber, viertens gegen die Welt im Allgemeinen. Und heute sehr auf der versöhnlichen Seite, sprich:
    Der Kressdorf gar nicht so ein schlechter Kerl. Vielleicht haben es da die Tabletten sogar ein bisschen übertrieben mit der positiven Sichtweise, aber eines muss ich sagen, zu seinem Chauffeur war der Kressdorf immer korrekt, nie ein grobes Wort oder dass er ihn geduzt hätte, sondern immer respektvoll »Sie« und »Herr Simon«.
    Sonst hat der KREBA -Chef natürlich schon Feinde gehabt, mehr als genug. Da will ich jetzt nicht alles beschönigen, nur wegen. Aber wenn es um Feinde geht, hat ihn seine Frau um Längen geschlagen. Weil dann immer gefragt wird, haben Sie Feinde. Als Abtreibungsärztin hast du einfach viele Leute gegen dich, das geht gar
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