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Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott
Autoren: Wolf Haas
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nicht anders. Darum waren die beiden ja auch so froh, dass ihre Tochter bei dem neuen Chauffeur in guten Händen war. Sonst hätten sie ja auch einen normalen Fahrer anstellen können, aber bei einem Expolizisten haben sie sich einfach sicherer gefühlt.
     
    Dass sie dann ausgerechnet wegen der Schokolade so böse auf ihn gewesen sind, kann man nur psychologisch erklären. Eigentlich wäre das mit der Schokolade ja gar nie herausgekommen, wenn man es nicht auf dem Überwachungsvideo so genau gesehen hätte. Und wenn du dir so etwas als Eltern hundertmal anschaust, hundertmal vor- und zurückspulst, hundertmal nichts anderes siehst als deinen Chauffeur, der sich im Tankstellenshop nicht zwischen den verschiedenen Schokosorten entscheiden kann, dann siehst du auf einmal in der Schokolade den Schuldigen.
     

2
     
    Das war überhaupt ein komischer Morgen, weil in der Klinik ist auch etwas passiert. Es hat schon damit angefangen, dass als erster Patient in der Früh ein alter Bekannter auf dem Operationsplan gestanden ist. Du wirst sagen, »der Patient« in einer Abtreibungsklinik eher selten, aber das stimmt nicht, weil Familienplanung Komplettpaket, und da haben sie auch Sterilisationen gemacht, das ist ganz normal in solchen Kliniken.
    Die Frau Doktor Kressdorf grundsätzlich große Sympathien für die Männer, die gekommen sind wegen einer Sterilisation, weil sonst haben die Männer immer alles den Frauen überlassen, und da waren die Sterilisationskandidaten für sie fast kleine Heilige. Rein als Frau und Klinikchefin betrachtet, durchgeführt hat den Eingriff natürlich der Urologe. Umgekehrt war der heutige Kandidat auch wahnsinnig begeistert von ihr. Du musst wissen, der Kriminalpolizist Peinhaupt hat die Frau Doktor von früher ein bisschen gekannt, weil als junger Streifenpolizist immer wieder Einsätze, wenn die Abtreibungsgegner vor der Klinik Radau geschlagen haben. Seit er bei der Kripo war, haben ihn die kleineren Krawalle nicht mehr betroffen, und seit die Klinik einen eigenen Sicherheitsdienst engagiert hat, ist es auf der Straße sowieso ein bisschen ruhiger geworden. Die Demonstranten haben sich auf das Rosenkranzbeten beschränkt und die Patientinnen nicht mehr angesprochen. Pass auf, das musst du dir so vorstellen:
    Rechts vom Eingang ist ein rosenkranzbetender Abtreibungsgegner mit dem Embryobild gestanden und links vom Eingang eine stiernackige Frau mit Rasenmäherfrisur vom Sicherheitsdienst, quasi Gleichgewicht des Schreckens. Und da haben die Patientinnen zwischen den beiden Säulenheiligen durchhuschen können. Wie der Peinhaupt noch auf Streife war, hat der Sykora einmal zu ihm gesagt:
»Pro leben
gegen Prolesben«, weil der Sykora immer lustig, und der Peinhaupt hat sich diese Bemerkung noch extra gemerkt, aber wie er es dann dem Berger Zwei so erzählt hat, als wäre es seine eigene Erfindung, hat der nicht einmal gelacht. Aber gut, der Berger Zwei war schon so ein Typ, den hat nicht leicht was aus der Reserve geholt, aber vielleicht wäre er noch lockerer geworden, wenn ihn nicht im Urlaub der Blitz erschlagen hätte.
     
    Dass es keine Straßenkrawalle mehr gegeben hat, war für die Polizei aber nur eine vorübergehende Arbeitserleichterung. Weil dafür ist es im Haus losgegangen. üb du es glaubst oder nicht, die
Proleben
hat nach und nach die Wohnungen rund um die Etagenklinik aufgekauft, und natürlich große Frage, woher haben die so viel Geld. Und seit die
Proleben
Mehrheitseigentümerin im Haus war und mit allen Mitteln versucht hat, den Mietvertrag der Klinik zu kündigen, haben sich die Stromausfälle so gehäuft, dass die Polizei erst recht wieder im Dauereinsatz war.
    Die Polizei hat aber im Grunde auch nicht viel machen können gegen den Hauseigentümer, und einmal hat der Peinhaupt sogar im Spaß zur Frau Doktor gesagt, gegen den Knoll hilft nur ein Auftragskiller. Weil der Knoll, das ist der Chef von
Pro leben
gewesen. Und der Knoll war es auch, der das Geld für die Immobilien zusammengekratzt hat. Mit seiner kleinen Alarmanlagen-Firma
Sectec
hat er das bestimmt nicht verdient, aber beste Verbindungen, frage nicht. Auftragskiller hat die Frau Doktor natürlich keinen engagiert, aber zur Zeitung ist sie gegangen, wie er am Hauseingang die Überwachungskameras angebracht hat, mit denen er die Patientinnen abschrecken wollte. Und da hat es ihr doch kurz um den Auftragskiller leid getan, weil der Artikel hat ihr noch am selben Tag eine Klage vom Knoll eingebracht und noch in
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