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Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott
Autoren: Wolf Haas
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vorbereitet auf dem Operationstisch gelegen, quasi umgekehrter Adam, wo das Feigenblatt den ganzen Körper bedeckt, nur nicht die Stelle, wo das Feigenblatt den Adam bedeckt, und endlich geht die Tür auf, aber es ist nicht der Anästhesist, der die Tür aufmacht, und es ist nicht der Urologe, der hinter ihm nachkommt.
    »Ja Peinhaupt!«
    Und es ist auch nicht die Frau Doktor Kressdorf, die ganz erschrocken »Ja Peinhaupt!« ruft. Sondern ob du es glaubst oder nicht. Seine zwei Exkollegen, der Zand Erich und der Sykora. Der Sykora! Und der Zand Erich! Seine alten Streifenkollegen kommen zur Tür herein, gaffen auf den entblößten Patienten am Operationstisch, und sie lachen nicht einmal, sondern der Zand Erich und der Sykora selber zu Tode erschrocken, bis der Zand Erich endlich sagt: »Ja Peinhaupt, was tust denn du da?«
     

3
     
    Im Nachhinein ist das der Frau Doktor Kressdorf wie die gute alte Zeit vorgekommen. Wie die paradiesische Sorglosigkeit. Wo sie noch fähig war, sich über einen Stromausfall oder über einen Wasserrohrbruch aufzuregen. Wo sie noch geglaubt hat, eine überschwemmte Klinik ist Grund genug, die Kripo zu holen. Oder sie muss wegen ein paar Kameras am Eingang gleich zur Zeitung laufen. Und wo sie mitten im Strom ausfall sogar noch daran gedacht hat, ihren Fahrer anzurufen, bevor er in Kitzbühel ist, damit er ihrem Mann gleich alles berichten kann.
    Dass der Fahrer noch nicht einmal auf der Autobahn war, hat sie ja nicht ahnen können. Erst im Nachhinein sind sie draufgekommen, dass der Herr Simon genau um die Zeit, wo der Strom ausgefallen ist, im Tankstellenshop gestanden ist und noch schnell einen doppelten Espresso getrunken hat.
    Um ihn herum sind zwei Tankstellensäufer gestanden, aber er nur Kaffee. Weil erstens als Chauffeur sowieso null Alkohol, und zweitens verträgt es sich mit den Tabletten nicht. Aber interessant. Seit er keinen Alkohol mehr getrunken hat, ist der Kaffee umso wichtiger geworden für den Herrn Simon. Dass man ihn einmal so nennen würde, das hätte er sich früher, wie er noch bei der Polizei war, auch nicht träumen lassen. Aber der Kressdorf und die Frau Doktor und alle in der Klinik haben so zu ihm gesagt, quasi Dienername.
     
    Jetzt nicht dass du glaubst, das hat ihn gestört, sondern die beste Stelle in seinem ganzen Leben. Weil als Chauffeur vom Kressdorf immer wieder interessante Leute kennengelernt, ja was glaubst du. Den Obersenatsrat Stachl zum Beispiel, der kurz aus dem Tankstellenfernseher geschaut hat, weil Morgennachrichten, den haben der Tankwart und die beiden Shopsäufer garantiert nicht gekannt. Der Dickere von den beiden hat nur kurz über den Vornamen vom Obersenatsrat gelacht, weil Aurelius Stachl, da hat der fette Shopsäufer gesagt, mit so einem Namen bist du auch gestraft. Aber der hätte sich bestimmt nicht gedacht, dass der Herr Simon den persönlich gekannt hat. Und nicht nur gekannt, sondern auch Sachen gewusst. Und er hat sich wahnsinnig für die Helena gefreut, dass ihr Vater beim
Riesenland
zum Zug gekommen ist, weil Schulgeld, Studium, da muss man früh genug daran denken, und das kann man nicht alles der Frau Doktor allein überlassen. Und du darfst eines nicht vergessen. Die Klinik noch immer nicht aus den Schulden heraußen, weil die ganzen Investitionen, frage nicht.
     
    Jetzt nichts wie hinaus aus dem Tankstellenshop und die Helena nach Kitzbühel bringen. Ein schöner, sonniger Morgen war das, und mit dem besseren Herzschlag vom Espresso hat er die paar Schritte von der Shoptür zum Auto richtig mit einer Einstellung gemacht, wo man sagt, Leben vollkommen okay. Wenn man bedenkt, wie er noch vor einem Jahr beisammen gewesen ist, muss man ehrlich sagen, Hut ab vor den Tabletten.
    Aber wie er gesehen hat, das Auto ist leer, haben es die Tabletten natürlich schwer mit ihm gehabt. Jetzt ist der doppelte Espresso sehr in den Vordergrund getreten, weil wie er aus dem Tankstellenshop heraus auf den BMW zugeht und durch die Rückscheibe keinen Helenakopf sieht, kurzer Herzstillstand, und dann dafür Herzklopfen, als hätte er nicht einen doppelten Espresso, sondern die ganze Kaffeemaschine verschluckt.
     
    Aber interessant. Das Herz hat nicht dort geschlagen, wo das Herz ist, sondern das hat in seinem Kopf geschlagen, weil seine Halsschlagader muss jetzt dicker gewesen sein als der Tankschlauch, mit dem er vorher seinen BMW aufgetankt hat, unglaublich, was so ein Auto schluckt, aber er hat sich gesagt, was soll ich mich
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