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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander
Autoren: Ingeborg Bayer
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Dienstboten zum Haushalt des Messer Orelli gehörten: den Seidenhändler selbst, seine Frau Ginevra und Brigida, die Tochter seiner ersten Frau, die an der Cholera gestorben war. Daß es früher große Feste in diesem Haus gegeben hatte, wußte ich, und offenbar war die Größe dieser Küche eher diesen Festen angemessen als dem derzeitigen Leben, das schon seit geraumer Zeit vom Geiz der Hausherrin geprägt war. Wahrscheinlich hätte sie diese Villa am liebsten verkauft, da sie ohnehin nur im Sommer und zu Pestzeiten bewohnt wurde, während der jedermann, der es sich leisten konnte, die Stadt verließ.
    Ich beschloß, die gründliche Besichtigung der Küche zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen und mich zunächst auf die Suche nach Hafer und Stroh für mein Pferd zu machen. Daß ich den Hafer sehr schnell entdeckte, verdankte ich dem schrillen Schrei eines Pfaues, der sich in einen Stall am anderen Ende des Innenhofes geflüchtet hatte. Bei meinem Näherkommen verließ er unter weiteren grell ausgestoßenen Protestrufen den Ort seiner Zuflucht und suchte das Weite. Ich besichtigte den Stall, aber da sein Boden tiefe Risse zeigte, war er wohl kaum geeignet, mein Pferd aufzunehmen. Das dort gelagerte Stroh und zahlreiche Hafersäcke waren mir jedoch sehr von Nutzen.
    Auf dem Rückweg in das Haus entdeckte ich dann den Brunnen. Vermutlich wäre er zu benutzen gewesen, wenn nicht die Halterung des Eimers mitsamt der Kette und der Abdeckung so verquer in den Schacht gerutscht wäre, daß es unmöglich war, Wasser zu schöpfen.
    Nach dieser wenig ermutigenden Entdeckung schwankte ich, was wichtiger war: zu überprüfen, wie lange die Eßvorräte reichen würden, oder die Überlegung, wo ich die Nacht verbringen konnte. Da ich diese Villa nie zuvor gesehen hatte, entschied ich mich zunächst für einen Rundgang durch das Gebäude.
    Ich stieg eine enge Treppe empor, zögernd, weil ich das Gefühl hatte, ein Eindringling zu sein, der seine Aufgabe vergessen hatte: Ich hatte mich ursprünglich ums Malen zu kümmern, um mehr nicht. Aber um diese Aufgabe erfüllen zu können, war Schlaf nötig, ermutigte ich mich und stieg weiter. Die Treppe endete in einem Halbrund, und ich überlegte, ob ich mich nach links oder rechts wenden solle, aber vermutlich spielte das keine Rolle. Ich ging also den linken Flur entlang, blieb vor der ersten Tür stehen, weil ich nicht wußte, was mich erwartete. Und ich gestand mir ein, daß ich Angst hatte. Zwar war ich neugierig, wie Brigidas Schlafkammer aussehen würde, aber ich wollte sie nicht als erstes finden. Weshalb, war mir unklar, aber es war nun einmal so.
    Das Zimmer, das ich zunächst betrat, war ein Schlafraum. An den Wänden standen kunstvoll geschnitzte Truhen, in eine der Seitenwände war ein riesiger Schrank eingelassen. An Haken hingen Perücken, seidene Perücken in nahezu allen Farben. Da ich weder Brigida noch ihre Stiefmutter je mit einer Perücke gesehen hatte, vermutete ich, daß es sich um die Räume ihrer leiblichen Mutter handelte. Das Bettgestell war mit weißen Tüchern abgedeckt, die Matratzen zum Lüften hochgestellt, Decken und Pfühle lagen auf Stühlen ausgebreitet. Und die Füße des Bettes standen in kleinen Kübeln mit einer eingetrockneten Flüssigkeit – vermutlich waren diese einst gegen Ungeziefer mit Bier gefüllt worden.
    Der nächste Raum, den ich betrat, war eine kleine Bibliothek. Sie lag drei Stufen tiefer als die übrigen Räume. Die Regale waren voller Bücher, sowohl Handschriften wie gedruckte Bände. Brigidas Vater mußte ein belesener Mann sein, falls er dies alles gelesen und nicht nur von einem Vorbesitzer übernommen hatte. Durch eine schmale Öffnung gelangte man, wieder einige Stufen tiefer, in einen Raum mit einer Harfe. Auf Truhen lagen Noten und weitere Instrumente: eine Laute, ein Krummholz, eine Trompete und eine Posaune. Die Familie Orelli hatte offensichtlich nicht sehr darunter gelitten, daß sie einst jenem Mönch Savonarola, der die Stadt vier Jahre lang regiert hatte, und seinem ›Feuer der Eitelkeiten‹ viel opfern mußte – sie hatte alles geradeso wieder angeschafft, wie man es ihr weggenommen hatte.
    Ich ging weiter und fand drei andere Schlafkammern hintereinander, von denen jede deutlich kundtat, wer hier genächtigt hatte: In der ersten waren Fechtmasken und Degen, die vermutlich einem der beiden verstorbenen Brüder Brigidas gehört hatten, in der zweiten waren auf verschiedenen Tischen Seidenstoffe in allen
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