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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander
Autoren: Ingeborg Bayer
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Regentonne, die ich hinter dem Haus entdeckt hatte, einen Eimer Wasser für mein Pferd, gab ihm ein paar Möhren aus einem der Körbe in der Küche, säuberte den großen Tisch mit einem Tuch, obwohl es nach meiner kargen Mahlzeit kaum etwas zu wischen gab. Ich suchte mir über die aufgeworfenen Fliesen im Flur hinweg den Weg zur Kapelle und verrichtete in dem leeren Raum mein Abendgebet. Dann ging ich in den Wohnraum zurück und öffnete nochmals das Fenster, aus dem man einen wunderschönen Blick über das Tal haben mußte. Aber selbstverständlich gab es zu dieser Stunde der Nacht nichts mehr zu sehen, und es drang lediglich die Nachtkälte in das ohnedies schon erstarrte Haus.
    Ich ging wieder in die Küche und überlegte mir, wie ich schlafen sollte, da ich normalerweise unbekleidet schlief. Aber ich scheute mich, mich nackt in dieses Bett zu legen – aus mir völlig unverständlichem Grund. Daß ich mich schließlich – Mitternacht mußte längst vorüber sein – mit Strümpfen und meinem Kamisol niederlegte, um der Schicklichkeit Genüge zu tun, fand ich mehr als grotesk. Wenn ich es Rocco erzählen würde, bekäme er nur wieder einen seiner unbändigen Lachanfälle, für die er bekannt war. Aber immerhin war ich nunmehr so müde, daß ich nicht einmal mehr einen Traum zuwege brachte, und schlief, bis ich am anderen Morgen halb erfroren erwachte.
    Ich hatte mich ganz offensichtlich die ganze Zeit bemüht, die seidene Bettwäsche nicht allzusehr zu verknäulen, und nahezu starr vor Ehrfurcht verkrampft auf einer Seite gelegen, jener, die ohnehin schon verknittert gewesen war.
    Nachdem ich aufgestanden war, ging ich als erstes in den Wohnraum, um aus dem Fenster zu schauen. Nebel, der nach aufgebrochener Erde roch, war aus dem Tal emporgestiegen. Er schien aus der Ebene emporzuwachsen wie ein tropisches wildes Gewächs, das in dieser Landschaft nur den Bruchteil der Zeit benötigte wie anderswo, um zu seiner vollen Größe heranzuwachsen. Er krallte sich wie ein urweltliches Tier in einer raschen Drehung um den Olivenbaum, der seitlich des Hauses gestanden hatte und nun wie ein auf den Rücken gefallener Käfer seine Wurzeln hilflos in die Luft streckte. Er umhüllte den Verlorenen mit seinen Tentakeln, öffnete sein gefräßiges Maul und ließ den Baum darin ganz langsam verschwinden – wie ein Riesenkrake, der sein Opfer verschlingt. Und er versagte mir – worüber ich fast froh war – festzustellen, ob das Wasser noch immer den Berg hinauffloß.
    Auf dem Fenstersims lag zwischen den Gitterstäben, die vor Einbrechern schützen sollten, ein abgebrochener, seltsam geformter, fast verkrüppelter Ölbaumzweig mit einigen Oliven, den ich am Abend nicht gesehen hatte. Ich hielt ihn zögernd an meinen Kopf, tauchte für einen winzigen Augenblick ab in eine andere Welt, in eine andere Zeit, dann stellte ich ihn in einen Becher mit Wasser, da seine Blätter noch saftig grün waren. Und ich beschloß, nachdem ich mein übliches Morgenmahl, einen Becher Wein, einen Kanten Brot, zu mir genommen hatte, mich endlich meiner Arbeit zuzuwenden.
    Zum Auftakt einer Arbeit, wenn sie mir allein übertragen ist, verrichte ich ein Gebet, damit sie gelingen möge. Dann male ich die Konturen des Gemäldes auf die grundierte Wand, korrigiere, trete vor, zurück, korrigiere nochmals, was meist geraume Zeit in Anspruch nimmt. Normalerweise obliegen diese Arbeiten, wie ich bereits sagte, Rocco, auch wenn ich mir einbilde, daß ich nicht schlecht bin beim Skizzenmachen, und ich nach Roccos Meinung bei Entwürfen auf Leinwand, Seide oder Pergament schon jetzt ein beachtliches Talent aufzuweisen habe. Das Anrühren der Farben ist mir – leider – als Geselle nicht mehr erlaubt, dazu haben wir Daniele. Aber manchmal, wenn er aus irgendwelchen Gründen nicht in unserem Atelier in der Stadt ist, tue ich es dennoch selber. Ich zerkleinere zunächst die Tonerde für den Ocker, zerreibe die Pigmente dann mit dem Spachtel auf dem Reibstein, füge Spuren von Leinöl hinzu, prüfe die Farbe, die nicht verlaufen darf, und lasse nicht zu, daß auch nur ein einziges grobes Korn zurückbleibt. Ich mache diese Arbeit mit großer Freude, kann dabei meinen Gedanken nachhängen und denke auch manchmal an die zurückliegende Zeit, in der ich als Färber tätig war und den Umgang mit Farben erlernt hatte.
    Führe ich endlich den ersten Pinselstrich aus, bin ich voller Glück. Und ich vergesse Zeit und Raum. Ob meine Füße vor Kälte
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