Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander
Autoren: Ingeborg Bayer
Vom Netzwerk:
gefreut hatte, zu einem Alptraum geworden, und es schien mir wenig wahrscheinlich, daß ich diesen Alptraum abschütteln und auch nur irgend jemandem meine Hilfe anbieten konnte.
    Als ich darüber nachzugrübeln begann, ob wirklich alles ohne Vorankündigung geschehen war, fielen mir plötzlich Dinge ein, die ich am Nachmittag, als ich durch das Dorf geritten war, zwar wahrgenommen, denen ich aber kaum Aufmerksamkeit geschenkt hatte: Ein auf der Wiese friedlich grasender Esel zum Beispiel, der plötzlich, als ich an ihm vorbeiritt, die Ohren spitzte, sich mit einem gewaltigen Ruck von seinem Strick losriß und im Zickzack über die Felder davongaloppierte. Die Gänseschar, die mir daraufhin laut schnatternd entgegenstob und meinem Pferd zwischen die Beine rannte, obwohl niemand hinter ihr her war. Der schwarze Hund, der sich mitten auf der Straße mit seinen Jungen balgte und plötzlich wie vom Leibhaftigen gejagt zu seiner Hütte rannte und die Jungen vor sich her trieb. Oder die Katze, die gerade noch voller Gier die Speisen geschlabbert hatte, die jetzt, vier Tage vor Petri Stuhlfeier, für die Toten gerichtet waren, und nun mit einem Male voller Panik die Schüssel umstieß und sich mit kläglichem Miauen unter einem Holzstoß verkroch. Daß bald darauf mein Pferd kurz scheute, obwohl am Boden vor ihm kein Hindernis war, fiel mir ebenfalls ein, aber auch das war kein Vorfall, dem ich irgendeine Bedeutung beigemessen hatte – mein Pferd war noch nie das mutigste gewesen.
    Noch während ich solchen unnützen Grübeleien nachhing, die gewiß nichts änderten, hörte ich ein Wiehern. Es kam von der Seite des Hauses, nicht von dort, wo ich das Pferd festgebunden hatte. Ich beschirmte mit der Hand eine Kerze, da ich für den Augenblick keine Fackel finden konnte, verließ das Gebäude durch eine Seitentüre und entdeckte die Stute auf einer abschüssigen Fläche, die es zuvor nicht gegeben hatte. Das Haus stand auf Pfeilern, und da das Beben einenseitlichen Mauerteil zum Einsturz gebracht und die Stützen beschädigt hatte, sah es nun aus wie das schadhafte Gebiß eines alten Mannes.
    Ich klopfte dem Pferd beruhigend auf den Hals, versprach ihm Hafer und Wasser, obwohl mir nicht klar war, wie ich mein Versprechen wahrmachen sollte. Die Stallungen, die ich gesehen hatte, lagen hinter der Kate des Verwalterhauses, und an das aufwärtsschießende Wasser konnte ich in dieser Nacht gewiß nicht mehr kommen. Ich war froh, daß das Pferd überlebt hatte. Und daß es überlebt hatte, verdankte es dem Umstand, daß ich Roccos Malsachen, die in den Satteltaschen verstaut waren, nicht im Haus des Fattore hatte lassen wollen und daher mit dem Pferd hier heraufgeritten war.
    Ich blieb eine Weile bei der Stute stehen, spürte, wie ihr nervöses Nasenzucken langsam verebbte, und schaute mich genauer um. Das Beben hatte die Villa, die aus pietra serena gebaut war, einem für diese Gegend typischen Material, annähernd in einem Kreisrund ausgespart. Hinter dem Haus wuchs eine steile Felswand empor, und weil ich weder nach vorne, wo das Gelände fast unmittelbar vor der Mauer des Hofes abgebrochen war, noch nach den Seiten einen Ausbruch wagen konnte, saß ich wie auf einer Insel fest.
    Da ich mir ein Leben lang ein Inseldasein gewünscht hatte – wenn auch gewiß unter anderen Bedingungen – empfand ich zunächst kaum das Gefühl, mich in einer ausweglosen Situation zu befinden. Irgendwann würde das Wasser wieder talwärts fließen, irgendwann würden Menschen kommen, die mich befreiten, irgendwann würde ich meinen Freunden von diesem Abenteuer berichten. Immerhin hatte ich die Sachen zum Malen gerettet, ich konnte also morgen wie geplant mit dem Ausmalen der Kapelle und des davorliegenden Flurs beginnen.
    Ich befestigte mein Pferd von neuem an dem Ring, da die Rückwand des Hauses unbeschädigt war, und ging in den Innenhof, in dem sich, wie ich bei meiner Ankunft festgestellt hatte, die Küche befand. Zunächst allerdings hatte ich Mühe, diesen Raum zu betreten: Der Architrav des Portals war herabgestürzt, hatte sich als Steinhaufen vor dem Eingang breitgemacht. Daneben lagen zwei mächtige Ölkrüge aus Terrakotta, und das ausgelaufene Olivenöl hatte bereits eine breite fette Lache auf dem gepflasterten Hof entstehen lassen.
    Die Küche war groß. Hier hätte man jeden Tag leicht für zwanzig Leute kochen können, was allerdings nie geschah. Wenn ich recht informiert war, gab es genau drei Personen, die außer den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher