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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser
Autoren: Niklaus Schmid
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hab dir bis jetzt nichts gesagt, weils eine Überraschung sein sollte.«
    Über meinen Kopf hinweg gab Verena mit erhobenem
    Zeigefinger ein Signal in Richtung ihres Mannes, der sich gerade mit Schneider unterhielt.
    Harro Bongarts klingelte mit einer Gabel an seinem Glas.
    »Liebe Gäste, Freunde, sehr geehrte Damen und Herren, darf ich für einen Augenblick um eure, um Ihre Aufmerksamkeit bitten.«
    Es wurde leise, das Kauen hörte auf, Harro Bongarts redete von dem Anlass der Einladung. Da war das neue Haus, hart erarbeitet, es folgte der unvermeidliche Spruch, dass ein Mann ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und einen Sohn zeugen solle.
    »Also das Haus steht, den Baum pflanze ich morgen früh, was aber den zu zeugenden Sohn angeht – nun, das muss ich mit meiner Frau besprechen, versuchen könnten wir es zumindest.«
    Pflichtschuldiges Lachen der Gäste. Beifallsklatschen. Ein zweites Klingeln sorgte wieder für Ruhe und in diese Stille hinein hörte ich, wie Harro Bongarts ein, wie er es nannte,
    »freudiges Doppelereignis« bekannt gab. Dass nämlich er zum Staatssekretär ernannt worden war und sein lieber Parteifreund Alfons Schneider, bis dato Vorgesetzter, ab sofort EU-Sonderbeauftragter für Südamerika sei.
    »Herzlichen Glückwunsch, Alfons! Oder muss ich jetzt Don Alfonso sagen?«
    Dieses Mal, obwohl es nun zum ersten Mal wirklich angebracht gewesen wäre, blieb das Gelächter aus. Schneider, die alte Koksnase, nach Südamerika, direkt an die Quelle!
    Wünschen Exzellenz den kolumbianischen, den bolivianischen Stoff oder eine Linie aus Peru? Nix mehr
    Backpulververschnitt, nein, ab sofort nur beste Qualität, Schnee aus den Anden. Es war ein Witz, aber keiner lachte. Es verbogen sich auch keine Balken, als Harro Bongarts jetzt dem nach Übersee weggelobten Genossen die Hand reichte –
    treuherziger Blick, die Linke flach aufs Herz, die Rechte freundschaftlich ausgestreckt –, eine ähnlich aufrichtige Geste hatte ich zuletzt in alten Filmaufnahmen mit Uwe Barschel gesehen.
    Prost! Alles prima, alles gut. Und da kam auch schon, durch das allgemeine Händeschütteln und Kameraklicken, Kapuste auf mich zu, mit seinen dicken Schuhen, der Nickelbrille und dem grauen Zottelbart, der auf das Revers einer Samtjacke fiel, die wohl aus einer Kleidersammlung stammte oder zwei Jahrzehnte in Bongarts Schrank überdauert hatte. Kapustes helle Schlaghose hatte schon ein Bier abgekriegt, seine Augen waren blutunterlaufen. Am Mittelfinger seiner rechten Hand, die er mir zur Begrüßung hinhielt, funkelte der Einkaräter.
    »Na, Schlömm, und sonst?«
    »Gute Frage!«
    59.
    Es war so, dass Verena dem Straßenmaler eine Ausstellung in einer der besten Düsseldorfer Kunstgalerien besorgt hatte. Als Anerkennung für seine Hilfe, denn die beiden kannten sich schon eine Weile, und hätte ich Kapuste auf Ibiza nicht angesprochen, dann wäre er auf mich zugekommen. Meine Exfrau überließ eben nichts dem Zufall.
    Aber das war noch längst nicht alles. Denn jetzt entdeckte ich Dora, die auf den frisch gekürten EU-Schneider zuging und sich wahrscheinlich als Sekretärin für seine neue Residenz in Lima oder Bogota bewarb.
    Ein weiteres Bierfass wurde angezapft, zum zehnten Male El condor pasa aufgelegt, Schneider summte bereits mit; Senf kleckerte auf weiße Hemdenbrüste und Chiffonkleider. Bald, ab einer gewissen Menge Alkohol, würde nur noch Stuss erzählt, noch dreister gelogen, noch dicker geheuchelt werden; die wenigen aber, die der Alkoholgenuss ehrlicher, also unvorsichtig machte, Leute wie Kapuste, die würden zu der nächsten Feier nicht mehr eingeladen werden.
    Mir langte die heutige schon.
    Ich ging.
    Verena lief mir nach; auf der Straße hatte sie mich eingeholt.
    »Elmar, ich kann dir das erklären.«
    Wie beschränkt doch unsere Möglichkeiten waren. Genau diesen Satz hatte ich auch gesagt, zu Marie, als ich die Rattenbisse an meinem Unterleib erklären wollte. Sie hatte mich nicht zu Wort kommen lassen. Nun, ich gab Verena die Chance. Und sie erklärte mir, wie es zu dem von ihr so genannten Deal gekommen war.
    »Alfons Schneider als EU-Abgesandter, das war die ideale Lösung, dadurch ist er aus der Schusslinie der Opposition und sein Posten wurde frei, was das Karussell in Bewegung gesetzt hat, sodass Harro als Nachrücker…«
    »Toller Zufall!«
    Sie lächelte. Und ich beließ es dabei, fragte aber, warum sie mich denn nicht in ihren Plan eingeweiht hatte.
    »Dann wärst du nicht so mit Biss rangegangen,
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