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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser
Autoren: Niklaus Schmid
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Sehnsuchtsmotive zogen, die schräge Palme auf den Seychellen, der Surfer auf der großen Maui-Welle, Tempeldächer in Thailand und Wasserfälle in Afrika, Amerika, Asien oder Norwegen.
    Verena stand an der Säule gegenüber Gepäckband Nummer vier, wie nach meinem ersten Ibiza-Besuch, doch diesmal mit einem herzförmigen Luftballon in der Hand, was gar nicht zu ihr passte, wohl aber zu Dora. Die beiden fielen sich in die Arme.
    Küsschen auf Wange und Mund, für Cetin ein äußerst misstrauischer, für mich ein recht kühler Blick.
    Na, schön, was hatte ich erwartet. Ich hatte den Job hinter mich gebracht, doch auf Verena kamen noch so einige Aufgaben zu; sie musste Dora einkleiden, ihr eine Unterkunft besorgen und sie seelisch aufrüsten, sie musste Dora vom Koks fern halten und die Koordinaten ihrer Persönlichkeit wieder zusammenbringen. Viel Vergnügen!
    »Du, Elmar?« Verena trat an mich heran.
    »Ja?«
    »Vielen Dank.«
    Sie hatte es doch noch gesagt.
    »Und noch was…«
    »Ja?«
    Sie näherte sich meinem Ohr. »Mit dem Honorar, das regeln wir später. Und die bewusste Videokassette, die sollten wir bei einem Rechtsanwalt hinterlegen. Kommst du klar? Ich meine heimfahrtmäßig.«
    »Ich nehme die Bahn.«
    Auf dem Laufband, das zur S-Bahn hinunterführte, drehte ich mich noch einmal um. Arm in Arm wie zwei junge Mädchen spazierten Verena und Dora zum Ausgang. Die beiden Männer, die hinter ihnen durch die automatische Tür schlüpften, sahen aus wie typische Touristen, vielleicht einen Hauch zu typisch. Misstrauen war meine Berufskrankheit.
    Die Tage vergingen. Es war ruhig, zu ruhig. Kein Anruf von Kommissar Tepass, keine Überwachung durch die LKA-Beamten, kein Drohanruf von irgendjemandem. Der Sommer ging zu Ende und die Leute sagten, es sei gar keiner gewesen, aber das sagten sie immer.
    Ab und zu rief ich Verena an. Entweder war sie tatsächlich nicht zu Hause oder sie ließ sich durch ihren Mann verleugnen.
    Mein Honorar stand noch aus.
    Cetin klingelte eines Tages an meiner Tür, unangemeldet, weil sein Handy überwacht wurde. Alles normal.
    Mein Nachbar unter mir, den ich nie kennen gelernt hatte, zog aus; diese Punkt-com-Firmen kamen und gingen wie Schnupfen.
    Alles normal. Dennoch bekam ich langsam das Gefühl, eine ansteckende Krankheit zu haben. Und hätte ich in dieser Zeit eine Flasche in der Nähe gehabt, wer weiß… So machte ich mir einen Tee, bereitete mein Essen sorgfältig zu und las das eine und das andere dicke Buch. Im Fernsehen hörte ich, dass Zecken bis zu zehn Jahre warten konnten, bevor sie sich auf einen streunenden Hund fallen ließen. Von den Zecken lernen heißt siegen lernen.
    Der Skandal lag in der Luft. Ich musste nur warten.
    Warten.
    Und dann kam der Anruf von Verena.
    58.
    Von einer Feier im engen Freundeskreis hatte Verena gesprochen. »Ein kleines Fresserchen«, hatte sie es genannt.
    »So um acht, Elmar, bitte sei pünktlich!«
    Die Anzeige am Armaturenbrett sprang auf 21.05 Uhr; eine Stunde darüber, also Ibiza-Zeit, denn wer dort pünktlich zu einer Einladung erscheint, hatte Kapuste mir verraten, der trifft die Hausfrau im Bademantel und den Hausherrn womöglich überhaupt nicht an, weil dieser noch dabei ist, die Getränke zu besorgen und natürlich von seinen Freunden aufgehalten wird, die ihn nach seinem Tipp für das Schlagerspiel Real Mallorca gegen den FC Barcelona fragen.
    Ich nahm die Theodor-Heuss-Brücke und bog dann von der Rheinuferpromenade in das ruhigste Viertel von Oberkassel ab. In der Straße mit den alten Bäumen standen die Autos in doppelter Reihe. »Kleines Fresserchen«, vielleicht gab es in einer der Villen ja noch eine andere Feier. Aber wenn, dann musste es ein ziemlich bekannter Gastgeber sein. Ich sah nur Nobelkarossen und in einigen saßen stabile Figuren mit Kinnladen wie aus Stein gehauen und Funkkabeln, die vom Ohr zum Jackenkragen liefen. Dem Verein hatte ich auch mal angehört; sie guckten so stramm wie eh und je.
    Ich ahnte, was mich erwartete, gute Menschen, die zu allen Themen eine ausgewogene, politisch korrekte Meinung hatten, Wichtigtuer, Langweiler, und ich wünschte mir, dass Marie jetzt bei mir wäre. »Ich kann den Jungen nicht allein lassen«, hatte sie gesagt. »Er weicht nicht von meiner Seite, will nicht mehr in den Kindergarten, geht nicht mehr zu anderen Kindern spielen. Neulich hat er mit einem Freund telefoniert, ›komm du zu uns‹, hat er gesagt, ›mein Papa ist weg, ich kann meine Mama nicht allein
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