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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser
Autoren: Niklaus Schmid
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lassen‹. Ich glaube, er hat Angst, dass ich mich in Luft auflösen könnte.«
    Genau meine Ängste. Ihr Bild, das ich mir so oft vor Augen rief, wurde schon blasser.
    Der Mann, der den Eingang zum neuen Haus meiner Ex bewachte, trug ein weißes Dinnerjackett und ein breites Lächeln, dass sich jedoch beim Anblick meiner Kleidung verdüsterte. Die teuren Ibiza-Klamotten entwickelten ihre Wirkung wohl nur unter der Mittelmeersonne.
    Die Gastgeberin kam mir entgegen. »Hallo, noch gerade rechtzeitig zum Höhepunkt.«
    Verenas alte Wohnung hatte sich in einem der
    denkmalgeschützten Altbauten mit Blick auf den Rhein befunden. Ihr neues Heim war so ein gesichtsloser Bau mit Flachdach im Atriumstil; die Wände zum Innenhof bestanden über die gesamte Breite aus Glas, sodass man von einem Raum in den anderen schauen konnte. Nach dem Motto, alles zur Einsicht, nichts zu verbergen. Grauenhaft!
    Der Vorteil an Verenas neuem Heim war, dass ich gleich einen Überblick bekam und auf Anhieb ein Dutzend Leute erkannte, darunter auch jemanden, den ich zwei Flugstunden südlich von Düsseldorf auf Ibiza vermutet hatte. Ansonsten gab es die übliche Mischung von Partygängern.
    Kunstschaffende diskutierten mit Redakteuren der
    Kulturseiten, der Dichter mit dem schmachtenden Blick machte sich an einen ehemaligen Straßenkämpfer in Nadelstreifen heran. Ich sah Altlinke, die gestern noch von der Religion als Opium fürs Volk getönt hatten, öffentlich von der multikulturellen Gesellschaft schwärmten, ihre Kinder aber heimlich in einem rein deutschen katholischen Kindergarten anmeldeten. Außerdem Mädchen mit kurzen Röcken, wie sie jede Agentur im Programm hatte, und zwei, drei der harten Jungs mit Fleischbergen statt Schultern.
    Die Gäste drängten sich im Innenhof um die Tische, beladen mit dampfenden Suppen, Blutwurstkringeln, Frikadellen und Käseröggelchen. Die Damen der Düsseldorfer Schickeria bissen mit verdrehten Augen in Bockwürste, die Männer legten sich Zwiebeln auf die Mettbrötchen, als müssten sie nie wieder ins Büro, und ein Landtagsabgeordneter trieb mit
    aufgekrempelten Ärmeln den Zapfhahn in ein Altbierfass, als hätte er in seinem Leben nie etwas anderes gemacht.
    Ich fragte mich, wer das Fest gesponsert hatte, doch dann sah ich das Schild mit der Bierwerbung und hatte die Antwort.
    Ein feister Glatzkopf, blaue Kellnerschürze wie ein Köbes aus dem Altstadtlokal Uerige, boxte sich mit einem Tablett durch die Gruppen. »Auch ‘n Bier, Jung?«
    »Nein, Wasser.«
    »Wasser, natürlich, Wasser«, sagte – er mit zierlicher Verbeugung.
    Anbiederndes Gelächter; es waren dieselben Leute, die sich von ihren Fahrern auf dem Weg zur Staatskanzlei die Aktentasche nachtragen ließen, sich nach Feierabend in ihrer Stammkneipe aber darum rissen, die Weinkisten aus dem Keller schleppen zu dürfen: »Mach ich doch, Anneliese, für dich immer.« Volkstümlich sein, den Kumpel raushängen lassen, so lief es eben und zu anderer Zeit hätte es mich sogar amüsiert.
    Was mich aber im Moment so wütend machte, war, dass ich unter den Anwesenden einen entdeckt hatte, der tagsüber eine Richterrobe trug, und dass dieser Mann mit einem Gast sprach, den ich vor nicht langer Zeit in einer etwas verwackelten, aber umso schärferen Videoaufnahme mit heruntergelassener Hose gesehen hatte.
    »Du guckst so angestochen, Elmar.« Verena war meinem Blick gefolgt.
    »Was geht hier vor? Staatssekretär Alfons Schneider?«
    »Ex, Elmar, Ex-Staatssekretär Alfons Schneider. Also, das ist so«, sie zog mich in eine Ecke, »unser Rechtsanwalt, der Staatsanwalt und der Richter, die haben sich mal so ganz privat unterhalten und sind zu dem Ergebnis gekommen, unsere Idee mit der Einleitung eines Untersuchungsausschusses, das würde nie was, da gebe es einfach keine Mehrheit für. Anträge stellen, Immunität aufheben, all das würde unendlich lange dauern. Und wenn wir Pech hätten, bekämen wir womöglich noch ein Verfahren wegen Verleumdung an den Hals.«
    »Das Video, Doras Aussage, was ist damit?«
    »Dazu muss ich dir was sagen, aber nicht hier und nicht heute. Wir sind doch jetzt so gemütlich beisammen, ist doch eine Feier.«
    »Und weshalb habt ihr Schneider eingeladen? Sag mal, willst du mich…?«
    »Du darfst das nicht so eng sehen, Elmar.«
    »Verena, ich will das, verflucht noch mal, aber verflucht eng sehen, hauteng sogar. Noch einmal: Was wird hier eigentlich gespielt?«
    »Reg dich nicht auf, wart doch erst mal ab, Elmar! Ich
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