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Der Bewacher - Swierczynski, D: Bewacher - Fun & Games

Der Bewacher - Swierczynski, D: Bewacher - Fun & Games

Titel: Der Bewacher - Swierczynski, D: Bewacher - Fun & Games
Autoren: Duane Swierczynski
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merkwürdig herab. Die Mischung aus Angst und Lethargie deutete darauf hin, dass sie sich aus den Sachen im Arzneischränkchen einen kleinen Cocktail gemixt hatte. Vielleicht hatte Lowenbruck einen Vorrat an Medikamenten, und sie wusste es.
    Wie auch immer. Vorsichtig ging Hardie in die Toilette, packte das Ende eines weißen Frotteehandtuchs und riss es vom Halter. Rasch faltete er es in der Mitte zusammen und presste es gegen die Eintrittswunde. Normalerweise musste man einen einfachen Rat befolgen: Direkt auf die Wunde drücken, die Blutung stoppen. Aber was zum Henker sollte man tun, wenn man aufgespießt worden war?
    Hardie sah zu der Frau hinüber.
    »Warum hast du das getan?«
    »Du bist einer von ihnen  … Gib’s zu!«
    »Ich habe keine Ahnung, wen du mit ihnen meinst, aber ich kann dir versichern, dass ich nicht dazugehöre.«
    »Was zum Geier machst du dann hier?«
    »Ich bin der Haussitter.«
    »Der Haus was?«

    Das lange schwarze Haar hing ihr ins Gesicht, und an einigen Stellen war ihre Haut voller Dreck. Außerdem hatte sie jede Menge Kratzer und ein, zwei Blutergüsse. Ihre beiden Hände waren notdürftig bandagiert. Trotzdem war sie immer noch hübsch anzuschauen. Breite, volle Lippen, hohe Wangenknochen und ausdrucksvolle Augen, das heißt, wenn sie es schaffte, sie ganz zu öffnen. Und wenn man sie im Garten mit einem Schlauch abspritzte.
    »Haussitter. Ich bewache Häuser.«
    »Warum sollte ein beschissener Haussitter hier rumschleichen und jeden Raum überprüfen? Leugne es nicht  – ich hab dich gehört!«
    Hardie konnte nicht mehr stehen. Vorsichtig begab er sich in eine Sitzposition. Sollte er ohnmächtig werden, dann lieber auf dem Fußboden.
    »Hör zu, Schätzchen, ich bin gerade erst angekommen. Die Frage ist nur, was du hier treibst. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Agent nichts von einem Crackhead mit einem Mikroständer in der Toilette gesagt hat.«
    Sie verdrehte die Augen. »Crackhead. Weißt du nicht, wer ich bin?«
    »Ich habe keine Ahnung, Süße.«
    Für einen Moment huschte die Andeutung eines Lächelns über ihr Gesicht und verschwand dann wieder. Dann fing sie an zu zittern.
    Hardie wusste nicht, wer sie war, doch nach und nach setzte sich in seinem Kopf eine Geschichte zusammen. Trotz der Schmutzflecken und Kratzer und ihres komischen Gebarens wirkte sie wie eine gesunde junge Frau  –
nicht wie der ausgemergelte Durchschnittsjunkie in L. A. mit irrem Blick und Wangenknochen, mit denen man Blechbüchsen hätte zerschneiden können. Diese junge Frau war wohlgenährt und kam aus einem behüteten Zuhause. Vielleicht besaßen ihre Eltern ein Haus weiter unten am Alta Brea Drive oder sonst irgendwo im Beachwood Canyon. Vielleicht war sie länger aufgeblieben und hatte heftig gefeiert, vielleicht hatte irgendein Arschlochfreund vorgeschlagen, sich als Absacker noch einen Mix aus Kokain und Heroin reinzupfeifen. Entspann dich, lass uns einen draufmachen!
    Ja, vielleicht war es das. Sie setzt sich einen Schuss, dreht durch. Und weiß, dass sie nicht nach Hause zurück zu Mom und Dad kann. Nicht in diesem Zustand. Sie sieht Lowenbrucks Villa. Findet die Schlüssel im Briefkasten. Immer noch völlig verängstigt, in Sorge, dass sie   – die Eltern? die Cops? der Dealer?  – sie holen. Schnappt sich einen Mikroständer und verzieht sich in die Toilette. Das ergab für ihn zwar immer noch keinen Sinn, aber eine Waffe war eine Waffe.
    Auftritt Charlie Hardie, das menschliche Nadelkissen.
    Er hoffte, dass sie noch Eltern hatte. Er würde ihnen gerne seine Krankenhausrechnung schicken. Mit jeder Sekunde wuchs in Hardie die Überzeugung, dass die Stange seine lebenswichtigen Organe verfehlt hatte. Seine Schwägerin damals in Philly, eine Krankenschwester, hatte ihm haufenweise verrückter Geschichten aus der Notaufnahme erzählt  – Verbrecher, die mit zwanzig, dreißig Stichwunden eingeliefert wurden, eine Zigarette in der Hand, und genervt waren, dass sie so lange warten mussten, obwohl sie
nicht mal einen gültigen Ausweis dabeihatten, ganz zu schweigen von einer Krankenversicherung.
    Aber Hardie hatte auch jede Menge anderer Geschichten gehört. Vom Opfer einer albernen Kneipenschlägerei, das nach einem harmlosen Stich mit einem verschmierten Buttermesser bei der Einlieferung bereits tot war, worauf sein Angreifer wegen Totschlags angeklagt wurde.
    Hardie war sich ziemlich sicher, dass er sein medizinisches Glück vor drei Jahren aufgebraucht hatte.
     
    Mein
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