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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze
Autoren: Belinda Bauer
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auf.
    Alles war wie immer.
    Rasch spähte er ins dunkle Wohnzimmer, doch der Fernseher war aus, obwohl das Feuer noch immer sanft hinter dem Kaminschirm loderte.
    Kein Licht in der Küche. Leise ging er hinüber. Sie war leer, und die Waschmaschine summte.
    Die dunkle Treppe hinauf, bei jedem Schritt innehalten und nach einem Eindringling lauschen. Die Stufe auf halber Höhe auslassen, die so knarrte.
    Das Bücherregal oben an der Treppe war ein wenig verschoben worden, was Jonas schmerzhaft mit der linken Schulter feststellte. Unweigerlich entfuhr ihm ein Keuchen.
    Kein Laut zur Antwort.
    Licht schimmerte unter der Badezimmertür. Jonas ging hinein. Die Luft war noch immer ein wenig warm und feucht von der Dusche vorhin.
    Jonas’ Eingeweide krampften sich ruckartig zusammen. Am Wasserhahn war Blut.
    Am Wasserhahn.
    War Blut.
    Er trat näher ans Waschbecken. Der Blutfleck war unverkennbar  – als hätte jemand den Hahn mit einer blutigen Hand auf- und wieder zugedreht. Ein kleines Rinnsal tröpfelte auf das Porzellan hinunter.
    Wild sah er sich um, die Augen auf dieses eine Ziel eingestellt, und fand mehr. Zwei Tropfen auf dem Boden, eine Schliere neben dem Wäschekorb, etwas, das wie ein halber Handabdruck aussah am Außenrand des Waschbeckens  – vier leicht gespreizte Streifen, wo jemand Finger aufgelegt hatte, die keine Abdrücke hinterließen.
    Scharf wandte Jonas sich zum Gehen und bemerkte eine
Bewegung dicht neben seinem Kopf, die ihn zusammenfahren und abwehrend die Hand hochreißen ließ.
    Fast hätte er gelacht. Er war vor seinem eigenen Spiegelbild in der Tür des Badezimmerschränkchens erschrocken!
    Dann blieb er wie angewurzelt stehen.
    Auf dem noch immer beschlagenen kalten Glas des Spiegels stand eine Botschaft, und er hatte keinen Zweifel, dass sie an ihn gerichtet war.

    »Lucy!«, schrie er in ersticktem Grauen und rannte ins Schlafzimmer, klatschte auf den Lichtschalter. Sie war nicht da. Er rannte in die Rumpelkammer. Leer. Jonas suchte nicht mehr nach dem Mörder, er fürchtete ihn auch nicht mehr. Er wollte nur seine Frau sehen.
    Das Gästezimmer. Sein Kinderzimmer. Sie war nicht dort, doch hinter der Zimmertür war die Bodenleiter heruntergelassen worden.
    »Lucy?«, zischte er, jetzt von Neuem wachsam. Er konnte sich nicht vorstellen, wie Lu ohne Hilfe die Leiter heruntergeholt haben könnte, von hinaufsteigen ganz zu schweigen.
    Oder ohne Zwang.
    Auf halber Höhe der Leiter war eine lange Blutschliere zu sehen.
    Er biss sich auf die Lippe, um keinen Laut von sich zu geben, und spähte in das schwarze Loch hinauf. Es gab kein Licht auf dem Dachboden; sie benutzten immer eine Campinglaterne. Eine Laterne, die nicht mehr an ihrem üblichen Platz auf dem Nachttisch stand.
    Jonas packte die Leiter und stieg langsam in die Finsternis hinauf.

     
    Von seinem geheimen Platz aus sah der Killer ungerührt zu, wie Jonas Holly vorsichtig die Leiter emporklomm. Er wusste, was er dort oben finden würde, und er wusste, dass das hier bald vorbei sein würde.
    Es war traurig, aber es musste nun einmal so sein.
     
    Reynolds und sein Team hatten sich verfranzt.
    Sie waren langsamer als Jonas über die Wiesen gelaufen, weil sie keine Ehefrau auf der anderen Seite hatten, der Gefahr drohte, und weil sie nicht so gut in Form, so schnell oder so groß waren wie er. Der Schnee war ein Problem  – sowohl der, der auf dem Boden lag, als auch der, der ihnen ins Gesicht peitschte.
    Sie folgten Jonas’ Spuren bis dorthin, wo diese anscheinend geradewegs in eine Hecke führten.
    »Scheiße!«, knurrte Reynolds.
    Sie konnten das erleuchtete Fenster des Cottage auf der anderen Seite der Hecke sehen, doch es schien keine Möglichkeit zu geben, dorthin zu gelangen.
    »Hier muss es doch ein Tor geben«, sagte Reynolds, also begannen sie, danach zu suchen; sie teilten sich in zwei Gruppen, und jede ging in eine Richtung an der Hecke entlang.
    Singh versuchte, eine Stelle zum Durchkriechen zu finden, lernte jedoch rasch eine ganze Menge über Schlehdorn und Weidedraht.
    Sie trafen sich dort wieder, wo Jonas’ Spuren sich nunmehr mit frischem Schnee füllten, und Reynolds wandte sich der Straße zu und begann, nach einem Weg um die Hecke herum zu suchen.
     
    Lucy fuhr beim Klappern der Leiter zusammen. Der gelbe Lichtfleck in den Bodendielen wurde von einem Schatten verdunkelt, und sie erhob sich aus dem Sessel und tastete nach dem Messer.

    »Wer ist da?«, fragte sie mit zitternder Stimme.
    »Ich bin’s!«,
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