Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze
Autoren: Belinda Bauer
Vom Netzwerk:
Frau in den Armen irgendwie unten auf dem Boden, dann die Treppe hinunter, auf halbem Weg rutschte er aus, schlug sich den Kopf an und fiel in den Flur, hielt Lucy in einem wirren Durcheinander aus Blut und Armen und Beinen umklammert.
    Er hob das Gesicht von den kalten Steinplatten, setzte sich auf und zog sie auf seinen Schoß, sagte wieder und wieder ihren Namen, wie ein Talisman, der vor schlimmen Dingen schützt. Wenn er nur immer weiter Lucy sagte, würde sie nicht sterben. Nicht sterben.
    Ihr Kupferhaar war dunkel vor dickem Blut, und ihr Gesicht war bespritzt und verschmiert. Ihre Augen waren noch offen und fanden die seinen.
    »LucyLucyLucyLucy …«
    Dann schaute sie von ihm fort und in eine Zukunft, in die er ihr nicht folgen konnte.
    »Geh nicht«, flehte er. »Bitte geh nicht weg.«
    Doch er konnte nichts tun außer sie festhalten und zusehen, wie das Licht in ihren Augen ausging.
    Hier auf dem kalten Boden hinter der Haustür, wo Lucy schon einmal versucht hatte, ihrem Leben ein Ende zu machen, hatte sie es schließlich geschafft.
    Jonas legte ihren Kopf behutsam auf seine Knie und zog das Messer aus ihrem Hals. Dann rammte er es sich in den Bauch.
    »RAUS MIT DIR!«, schrie er gellend. »RAUS!«
    Mehrmals suchte Jonas den Killer in seinem Innern, doch dessen Job war getan, und er war nirgends zu finden.
     
    Die Wände waren dick und aus Stein, doch Mrs. Paddon wurde von Jonas’ Aufschrei »NEIN! NEIN! NEIN!« geweckt.
    Sie war neunundachtzig, doch sie hatte den Krieg mitgemacht, also stand sie auf und zog Mantel und Stiefel an.

    Sie hörte Jonas schreien: »RAUS MIT DIR!«, als sie auf die Haustür zuhielt, doch niemand stürmte an ihr vorbei, also ging sie hinein.
    Sie fand Lucy tot und Jonas noch am Leben vor, also ging sie Handtücher holen, um die Blutung zu stillen.
    Sie sah das Messer neben den beiden liegen, also fasste sie es nicht an, für den Fall, dass es ein Beweisstück war.
    Sie rief die Polizei an und berichtete, dass zwei Menschen in ihrem Haus überfallen und niedergestochen worden waren.
    Dann ging sie zurück zu Jonas und bemerkte mit verwirrtem Stirnrunzeln die Chirurgenhandschuhe an seinen Händen.
    Sie kannte Jonas Holly, seit er in den Armen seines stolzen Vaters aus dem Krankenhaus heimgebracht worden war, und sie wusste, dass er ein guter Junge war.
    Daran konnte es keinen Zweifel geben.
    Also zog sie ihm die Handschuhe aus und warf sie in die Glut des Kaminfeuers, wo sie stanken und qualmten und dann in den Flammen schmolzen, gerade als Reynolds und sein Team endlich durch die Tür gestürmt kamen.

Ein anderer Tag
    Jonas wollte nicht überleben und hatte sich alle Mühe gegeben, es nicht zu tun, doch die Ärzte waren gut und die Schwestern unbarmherzig wachsam.
    Reynolds bestand darauf, ihn nach Hause zu fahren. Er redete während der ganzen Fahrt. Über jene Nacht.
    Er sagte Jonas, was für ein Glück er gehabt hätte, dass Mrs. Paddon etwas von Erster Hilfe verstand und dass der Rettungshubschrauber, der bereits wegen Marvel unterwegs gewesen war, umgeleitet worden war, um sein Leben zu retten.
    »Es war so knapp«, erklärte Reynolds ihm. »Sie hatten unglaubliches Glück.«
    Glück. Ja. Jonas nickte.
    Marvel war tot. Joy Springer war tot. Die Farm war zerstört. Das Blut in Jonas’ Badezimmer stammte von Joy Springer. Fußabdrücke mit Fischgrätprofil, die vor der Hintertür entdeckt worden waren, waren jenseits des Schutzes des Dachüberhangs im Schnee nicht mehr zu finden gewesen. Sie hatten das Messer, doch es waren keine Fingerabdrücke daran außer denen von Lucy.
    »Bestimmt hat sie sich gewehrt, Jonas«, sagte er in diesem widerwärtigen pseudo-mitfühlenden Tonfall, der eigentlich nichts als Geilheit war. »Irgendwann muss sie das Messer gepackt haben. Sie war sehr tapfer.«
    Ja, nickte Jonas. Sehr tapfer.
     
    Der Schnee auf dem Exmoor war geschmolzen, und der Tag strahlte vor hellem Frühling.
    Sie erreichten das Rose Cottage, und Reynolds folgte
Jonas hinein, obwohl dieser sich verzweifelt danach sehnte, allein zu sein.
    Mrs. Paddon wartete in der Tür und umarmte ihn genau an der Stelle, wo Lucy gestorben war.
    »Du bist ja nur noch Haut und Knochen«, sagte sie. »Im Ofen steht eine Pastete. Vegetarisch.«
    Er nickte und bedankte sich bei ihr und wünschte sich, sie hätte sich nicht die Mühe gemacht. Die Mühe, die Pastete zu machen, und die, ihm das Leben zu retten.
    Beide zögerten zu gehen, doch er hatte ihnen nichts mehr zu sagen, und Mrs. Paddon
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher