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1375 - Wächterin der Toten

1375 - Wächterin der Toten

Titel: 1375 - Wächterin der Toten
Autoren: Jason Dark
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Ihr würde kein Mensch begegnen, das stand für die einsame Wanderin fest, doch sie gehörte zu den Menschen, die auch an andere Erscheinungsformen glaubten, und dabei gab es eine bestimmte, für die ihre Großmutter geradezu prädestiniert erschien.
    Clara Lintock konnte sich ihre Großmutter gut als Engel vorstellen. Als ein Geschöpf, das zwischen den Welten wanderte. Als geschlechtsneutrales Etwas, das Gutes im Sinn hatte und gerade den Menschen führen wollte, der ihm im ersten Leben so nahe gestanden hatte.
    Clara Lintock hatte sich diesen Tag im Juli als einen besonderen ausgesucht. Selbst hier in Schottland sprachen die Menschen vom Hochsommer. Er hatte lange auf sich warten lassen, doch jetzt war die kalte Front gebrochen worden, und die warmen Luftmassen aus Richtung Süden schoben sich auch über die Britischen Inseln hinweg.
    Was ließ sich über den Friedhof sagen?
    Im Prinzip nicht viel. Nur dass es ein altes Areal mit nur wenigen Gräbern war, die recht hoch lagen und für die Winde leicht zugänglich waren.
    Manche Menschen hätten von einer kahlen Ebene gesprochen. So sah Clara jedoch den Friedhof nicht an. Er lag am Ende eines Hanges, bestückt mit Kreuzen und Grabsteinen, die sehr verwittert aussahen, weil die oft launische Natur an ihnen genagt hatte.
    Clara Lintock hätte auch zu Fuß gehen können. Da wäre sie jedoch zu lange unterwegs gewesen. Die nächste Ortschaft lag Kilometer entfernt, und sie besaß ihren eigenen Friedhof.
    Aber es gab auch Menschen, die testamentarisch darauf bestanden, auf dem kleinen Bergfriedhof zur letzten Ruhe gebettet zu werden, und zu denen hatte auch Jessica Lintock gehört.
    Der Pfarrer hatte es nicht gern getan, aber er war dem Wunsch letztendlich nachgekommen und hatte der Verstorbenen auch den kirchlichen Segen gegeben.
    Clara erinnerte sich an die Beerdigung. Sie war sehr still gewesen.
    Nur wenige Menschen hatten daran teilgenommen. Nicht weil die Verstorbene zu unbekannt gewesen wäre, nein, es ging da auch um ganz andere Dinge, die Clara nicht richtig nachvollziehen konnte.
    Nicht wenige Menschen fürchteten sich vor dem Ort. Manche hielten ihn für unheilig. Und weil einige Kreuze schief standen, waren sogar welche der Meinung, dass der Teufel daran gerüttelt hätte.
    Clara empfand dies als Quatsch. Nicht aber, was die Großmutter ihr über den Wind gesagt hatte. Sie war immer eine gelehrige Schülerin gewesen, und sie machte sich darauf gefasst, dass ihr etwas Unheimliches begegnen würde.
    Ihr schwarzer Mini wurde wirklich Mini, als sie den Hang hochstieg. Sie nahm dabei den schmalen Pfad, der sich in Serpentinen in die Höhe schlängelte. Er war oft nur schwer zu erkennen, weil hohe Gräser ihn säumten. Jetzt waren die Wiesen mit Sommerblumen geschmückt, die ihre Aromen und Düfte abgaben und den Insekten einen reich gedeckten Tisch boten.
    Es gab Jahreszeiten, da sah es hier anders aus. Fast wie in der Tundra, in der Weite Sibiriens.
    Über Clara lag der Himmel in einem prächtigen Blau. Weit, so unendlich weit, als wollte der Allmächtige ihr, diesem kleinen Menschen, klar machen, wozu er fähig war. Nur wenige Wolkentupfer malten sich im Westen ab und wirkten auf der weiten Fläche, als wären sie einfach vergessen worden.
    Weitergehen.
    Schritt für Schritt!
    Höhe gewinnen, um so den Friedhof zu erreichen. Sie wusste, dass das Grab ihrer Großmutter dasjenige war, das am meisten auffiel, und wenn sie es erreicht hatte, würde sie so gern Zwiesprache halten, die nicht nur einseitig und stumm war. Für sie war Jessica Lintock nicht tot.
    Die letzten Meter fielen ihr am leichtesten, weil der Anstieg nicht mehr so steil war. Beinahe beschwingt legte die junge Frau mit den aschblonden Haaren sie zurück.
    Sie hatte plötzlich das Gefühl, nach Hause zu kommen und dort erwartet zu werden. Sie hätte sich nicht mal davor gefürchtet, wenn die Großmutter aus dem Grab gestiegen wäre, um sie zu begrüßen.
    Clara tat den letzten Schritt und befand sich auf dem Gelände, auf dem sie sich umschaute.
    Seit der Beerdigung war sie nicht mehr an diesem Platz gewesen.
    Und jetzt versucht sie herauszufinden, ob es wirklich ein mystischer Ort war, eine Stelle, die sich Schamanen ausgesucht hätten, um ihren Zauber zu zelebrieren, oder ob es nur einen Friedhof wie jeder andere war.
    Momentan war sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich darüber Gedanken zu machen. Sie brauchte Zeit, um sich auf die Atmosphäre einstellen zu können.
    Die Arme
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