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Der Berg des Lichts

Der Berg des Lichts

Titel: Der Berg des Lichts
Autoren: Hans Kneifel
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einer anderen, bemerkenswerten Stelle.«
    »Nichts ist unmöglich«, sagte sie. Necron wußte genau, daß sie ihn und diese Liebesnacht dazu benutzt hatte, um sich von vielen Eindrücken und Erlebnissen ihres Lebens zu befreien. Er verstand sie; ihm erging es nicht anders. Für wenige Stunden hatten sie erleben dürfen, daß es inmitten dieser fremden, gefährlichen Welt noch Stunden der Ruhe und der Liebe gab.
    »Ich ahne, daß uns allen ein schreckliches Schicksal droht!« beharrte sie.
    »Da dies jeder, an jedem Tag, immer wieder betont«, sagte Necron und lachte entspannt, »wird es so schauerlich nicht werden. Du und ich, wir sind den gewaltigen Mächten gegenüber so unbedeutend, daß wir heiler Haut entkommen werden.«
    In diesem Augenblick fühlten sie beide, wie sich die Quadern des Gebäudes bewegten. Nur um Haaresbreite, und es geschah fast unbemerkt. Dennoch ging ein ächzendes Geräusch durch das Gebäude. Dani sprang auf und lief mit wehendem Haar zu einem Fensterschlitz.
    »Der Berg! Er wird uns alle umbringen!«
    Necron griff nach seiner Kleidung und knurrte wütend:
    »Ausgerechnet jetzt! Wir müssen hinaus. Hier, verhülle deinen schönen Körper!«
    Der erste Bebenstoß war vorüber. Nach Necrons Schätzung, die sich nach einem Blick durch das Fenster bewahrheitete, waren es noch zwei oder drei Stunden bis Sonnenaufgang. In rasender Eile zogen sie sich an, und beim Hinausrennen schnallte Necron seine Messergurte um. Zwischen den Mauern der Siedlung gellten Schreie, überall breitete sich Lärmen aus. Wieder wurde der Bergkegel erschüttert, abermals kurz und nicht sehr heftig. Flüche, Kommandos und Geschrei hallten durch Kammern und Gänge des Chronisten-Gebäudes. Necron hielt Dani an der Hand, sah Yzinda in die Richtung der Haupttreppe rennen, hörte Luxons Stimme und fand sich noch vor Zarn und Hasank vor dem Tor. Gemeinsam wuchteten sie die Flügel auf.
    »Ich sage dir«, stöhnte der Krieger, »daß der Lichtbote uns das Zeichen gibt! Wir werden siegen, Necron!«
    »Auf Umwegen, wie üblich«, gab der Alptraumritter zurück und zog Dani mit sich ins Freie. Draußen rannten Zaketer vorbei, blind und voller Furcht; sie kümmerten sich nicht um die Fremden. Ihr Ziel schien die Neue Flamme zu sein. Wieder beruhigte sich der Boden. Aus einigen Quaderfugen rieselte weißer Staub.
    »Wir bleiben zusammen! Alle hierher, zu mir!« erhob sich Luxons Stimme. Wieder wurde der feste Boden unter ihren Füßen erschüttert. Die Äste und Blätter der Bäume rauschten, ohne daß es Wind gab. Als Necron seinen Blick auf die Neue Flamme und den vermeintlichen Himmelsstein richtete, sah er, daß dieses undeutliche Etwas zu pulsieren begann. Im Innern wurden Umrisse sichtbar und verschwanden wieder. Es sah aus, als ob sich aus dem wolkenartigen Gebilde ein Gesicht zu formen begänne.
    »Wohin?« schrie jemand.
    »In Sicherheit«, gaben andere Stimmen zurück. »Auf festen Grund! Hinaus aus den Gebäuden!«
    Mehr zufällig als bewußt rannten die Loggharder in einer dicht gedrängten Gruppe in die Richtung des Himmelssteins. Wieder traf sie ein neuer Erdstoß. Auf dem Berg des Lichts wuchs die Panik. Hunderte und Tausende verließen die Gebäude und rannten ziellos umher. Der Nachthimmel verlor langsam seine Schwärze, die Sterne verschwanden, und das Leuchten der Wolke nahm zu.
    Luxon wandte sich mit schreckgezeichnetem Gesicht um und fragte den Augenpartner:
    »Was können wir tun? Wohin flüchten? Was schlägst du vor?«
    »Weg von den Mauern, Säulen und Torbögen. Und wenn der Berg Feuer zu speien beginnt, rettet uns nur die Flucht über die Hänge abwärts, bis hinunter zur Küste.«
    Viermal bebte der Fels ringsum, unterschiedlich lang und unterschiedlich stark. Dann, nachdem einige Säulen krachend umgefallen waren, beruhigte sich der Berg wieder. Das Ächzen und Knirschen in den Steinen und Quadern riß ab. Auch die Menschen hörten zu schreien auf. Eine unheimliche Stille herrschte für einige Zeit. Dann, als sich eine trügerische Beruhigung über die Menschen zu senken begann, veränderte sich das Aussehen der Neuen Flamme.
    Kukuar, ebenso tief getroffen wie sie alle, stöhnte auf und stammelte:
    »Seht dorthin! Das Gesicht auf unseren Segeln…!«
    Die Flamme flackerte und wurde kürzer, breiter und verlor ihre Strahlkraft. Brodelnd und zuckend formierten sich die Flammen neu, bildeten erste Konturen, flossen auseinander und wirbelten wieder umher, und nach und nach, während hundert Atemzügen,
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