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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär
Autoren: Jacques Berndorf
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nicht mitgekriegt?!«
    »Na ja, ich dachte, wenn du anrufst, ist eine Frau im Spiel.«
    »Das ist nicht ganz falsch«, murmelte ich. »Sie ist rothaarig, etwa dreißig, klein und hat eine Schnauze wie eine Kalaschnikow oder so was.«
    »Klingt toll. Aber wahrscheinlich ist sie verheiratet oder so.«
    »Eher oder so. Sie ist verlobt.«
    »Dann schubs ihn weg, Baumeister.«
    »Kannst du nicht einmal vernünftig reden? Ich meine, irgendwie mitteleuropäisch gesittet? Musst du unbedingt und immer auf meinen Einsamkeiten herumreiten? Ich meine ...«
    »Tut mir leid.« Sie war schnell, sie war betroffen, es war gar nicht mehr spaßig.
    »Schon gut. Ich habe eine Frage. Kennst du dich unter Historikern aus?«
    »Nicht sehr. Da ist Rodenstock besser. Und der ist beim Zahnarzt. Sie streiten, ob er seine letzten vier Backenzähne opfern soll.«
    »Sag ihm, er soll sie opfern. Wir leben in einer Zeit strahlender, schneeweißer Gebisse. Also raus mit dem Schrott, umsatteln auf Weißwandbeißer. Hör zu, diese Frau, die rothaarige, kommt gleich hierher. Sie will eine Doktorarbeit schreiben. Es geht um einen Mord in oder bei Gerolstein im Jahre des Herrn 1888. Sie behauptet, den Mörder zu kennen, hat aber keine Leiche.«
    »Das soll vorkommen. Warum nicht? Wenn sie hartes Material hat? Warum eigentlich nicht? Hör sie an, das weitet deinen Horizont. Da fällt mir ein, dass mich morgen eine Verwandte besucht. Etwas jünger als hundertelf Jahre, so runde achtunddreißig. Sie ist Jüdin, heißt Esther, und sie kommt direkt aus Tel Aviv, hat zwei Scheidungen hinter sich, dabei gut abgesahnt, keine Kinder und lebt jetzt sozusagen in Hotels. Falls du also ... «
    »Nicht ich, bitte. Lass mich da raus. Sag Rodenstock bitte Bescheid, er soll mich mal anrufen. Vielleicht hat er ja Tipps oder so was.«
    »Ich habe einen Kollegen bei der Amsterdamer Kripo. Der ist Historiker, den rufe ich jetzt mal an. Wir melden uns, okay? Und noch etwas, verdammt noch mal: Ich will dich doch nur glücklich sehen, Baumeister. Nichts sonst. Dieses Alleinleben geht dir doch auf den Geist, oder?«
    »Ein bisschen«, gab ich zu. »Aber bemüh dich nicht, ich komme schon zurecht.«
    Da hockte ich in der Sonne und dachte darüber nach, wieso mich so viele nette Leute unter die Haube bringen wollten. Taugte ich als Einzelwesen eigentlich gar nichts? War ich nur gesellschaftsfähig mit irgendeinem weiblichen Menschen an meiner Seite?
    Sechs oder sieben der winzigen Frösche machten einen Ausflug in das flache Wasser. Immer schön langsam, immer der Reihe nach und in hübschen kleinen Sprüngen. Dann schwammen sie hintereinander einen kleinen Kreis und hüpften dann über die Moorerde zurück unter ihren Basaltblock. Genug getan für heute, Schluss mit dem Kindergartenausflug.
    Hermann kam in den Garten und war weiß wie eine Wand. »Die Platten mussten abgeschliffen werden.« Er hustete.
    »Dann nimm den Gartenschlauch, damit geht das Zeug runter.«
    »Hat keinen Zweck.« Er schüttelte den Kopf. »Das schmiert dann nur.« Er drehte sich eine Gauloises und rauchte genüsslich. »Ich frage mich natürlich, wie wir die Billardplatte da raufkriegen.«
    »Ich bestelle einen Kran.«
    Er grinste. »Willst du den Dachstuhl abheben?«
    »Warum nicht? Das wäre doch mal was Neues. Ich mache mir Kaffee. Willst du auch einen?«
    Er wollte, und wir hockten uns in die Küche und starrten zum Fenster hinaus und schlürften den Kaffee. Dann klingelte das Telefon, diesmal war es Rodenstock: »Hör zu, ich habe mich mal erkundigt. Es ist unter Historikern zur Zeit Usus, sich mit regionalen Themen zu beschäftigen. Die Geschichte der Heimatgemeinde, du verstehst schon, was ich meine. Insofern ist die Dame sicherlich up to date. Und ein Mord als Thema ist nicht von schlechten Eltern, finde ich. Ohne Leiche fehlt einem was, aber vielleicht ist das ja zu kompensieren.
    Vielleicht hat sie Quellen ausgegraben, die einem die Schuhe ausziehen. Also, für eine Historikerin muss sie gute Nerven haben. Schließlich will sie in der eigenen Gemeinde recherchieren.« Dann machte er eine Pause und bemerkte unumwunden: »Ich würde gern mitmachen. Emma auch. Sie hat schon wieder diesen Blick.«
    »Aber sie soll ihren verdammten Colt zu Hause lassen.«
    »Den hat sie nicht mehr. Sie hat ihn abgegeben. Jetzt jammert sie und will einen neuen. Ich habe ihr einen versprochen. Mit ziseliertem Lauf und so.«
    »Schreckschuss, kauf eine Schreckschusswaffe. Das reicht für die Frau, das reicht vollkommen.
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