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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär
Autoren: Jacques Berndorf
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wir könnten ja einen Happen zusammen essen. Frühstück also. Kaffee oder Tee? Na ja, ist ja alles da. Ich hätte nämlich eventuell eine Story für Sie, also eine ziemlich ... na, wie sagt man da? Also eine ziemlich verrückte Geschichte. Ur-Bayern würden das deppert nennen. Also komisch irgendwie. Also ... «
    »Ich komme gleich. Das passt mir gut.« Und weil er ein feines Hotel hat, rasierte ich mich.
    Ich rollte über den Querverbinder nach Rengen und hatte eines dieser Erlebnisse, die so typisch für die Eifel sind. Da stand rechts am Straßenrand ein Golf mit Warnblinkanlage. Der Fahrer kniete vor dem Fahrzeug im tiefen Gras und beschäftigte sich mit irgendetwas. Ich bremste, stieg aus und ging zu ihm.
    Der Mann war etwa fünfzig, trug Arbeitskleidung und kniete vor einem jungen Rehbock. Das Tier litt, hatte einen zerschmetterten rechten Lauf, das Bein war verdreht und das Sprunggelenk unnatürlich angewinkelt. Das Tier stöhnte in einem festen Rhythmus, es klang erbärmlich.
    »Ist mir reingesprungen, verdammt noch mal«, sagte der Mann. Es klang wie türkisches Deutsch, es klang hart und bekümmert. »Weißt du, ist mir einfach reingesprungen. Ging zu schnell, ging sehr schnell. Husch, war er raus aus dem Gebüsch und knallt mir auf den Kotflügel. Kannst du sehen, ist Beule. Ich konnte nichts machen.«
    »Hast du den Förster angerufen? Oder sonst wen? Hast du ein Handy?«
    »Ja, habe ich. Aber habe ich keine Nummer. Handy ist für meine Frau. Die hat Asthma und kann mich anrufen, aber ich rufe nie an.«
    »Die Bullen vielleicht, äh, die Polizei?«
    »Na ja, aber weiß ich nicht die Nummer. Notruf, oder so. Oh verdammt noch mal!« Er streichelte dem Tier ununterbrochen über den Kopf. »Muss ich in Apotheke, muss ich Medikament holen für Asthma. Oh, Scheiße! Kannst du totmachen?«
    »Ich? Bist du verrückt?!«
    »Ich kann auch nicht, ich kann so was nicht. Wer kann so was?«
    »Vielleicht Förster, vielleicht Polizisten. Ich weiß nicht. Ich telefoniere mal.« Ich ging zu meinem Wagen und rief die Polizei an. Sie sagten, sie würden vorbeikommen.
    »Polizei kommt gleich«, murmelte ich.
    Er sagte: »Meine Frau ist krank, schlimm krank. Muss ich Asthmamittel holen.«
    »Dann fahr doch, ich bleibe hier.«
    »Machst du das?«, fragte er.
    »Na sicher mache ich das. Du kommst dann wieder hier vorbei, falls die Polizisten dich brauchen.«
    »Das ist gut, Mensch«, sagte er und stand auf. Dann fuhr er los.
    Jemand in einem lindgrünen Subaru rollte heran und stieg aus. Er trug Grün, was ich unter diesen Umständen für hervorragend hielt.
    »Er hat Schmerzen, da ist eine Menge kaputt.«
    Der Mann war vielleicht dreißig. »Das haben wir gleich«, sagte er. Er ging zu seinem Wagen und kam mit einem Brecheisen zurück. »Gehen Sie mal weg da«, sagte er.
    Ich ging sogar ganz schnell weg, ich kann bei diesen Dingen nicht zuschauen.
    Er sagte: »Ist schon erledigt.«
    Ich sagte: »Die Polizei kommt gleich.«
    »Ich mache das schon«, versicherte er und wischte sich die Hände an der Jeans ab.
    Tod am Morgen.
    Im Frühstücksraum waren eine Menge Leute, und offensichtlich waren sie alle gut gelaunt. Irgendjemand musste einen Witz erzählt haben, sie lachten alle lauthals. Ich erkundigte mich bei der Bedienung, ob ich mitlachen könnte, und sie flüsterte: »Der Belgier, der am runden Tisch, hat einen Blondinenwitz erzählt. Was sucht eine Blondine am Meeresgrund? Antwort: Leonardo di Caprio.« Sie kicherte, wurde wieder dienstlich. »Herr Probst hat den Tisch da ausgesucht. Er kommt gleich. Kaffee, Tee?«
    »Weder noch. Schokolade.«
    Dann kam Probst in seiner unnachahmlich geistesabwesenden Art in den Raum gesegelt. Er trug einen seiner leichten, braunen Anzüge, die so aussahen, als habe er vier Wochen drin geschlafen. Seine Anzüge sind aus Seide, sehen aber immer so aus. »Was ist? Lassen wir uns was Fleischiges mit Ei machen?«
    »Nichts dergleichen. Ich bin sowieso zu fett.«
    Er grinste und setzte sich mir gegenüber. »Was macht das weibliche Geschlecht?«
    »Es wächst und gedeiht und hat mit mir nichts am Hut.«
    »Wie schön!«, strahlte er. Dann wandte er sich an die Bedienung. »Also, ein paar Würstchen, ein Rührei vielleicht. Nein, nicht für mich, für den Baumeister hier.«
    Ich widersprach nicht, ich mag seine Küche.
    Nachdem wir eine Weile über das Wetter, die Gesamtwirtschaft, die Regierung in Berlin, den Bundeskanzler, den Arbeitsminister, den Finanzminister und ähnliche unwichtige Dinge
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