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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär
Autoren: Jacques Berndorf
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Na schön, kommt her. Und bringt eine Schüssel Eis mit. Für mich Zitrone, viel Zitrone.«
    »Ich geh mal wieder«, murmelte Hermann. »Die Schleifmaschine ruft.«
    Dann sagte eine weibliche Stimme in der Haustür: »Wollt ihr frische Erdbeeren?«
    »Will ich. Siebenhundertvierundvierzig Kilo und sechsunddreißig Gramm.«
    »Ich hab nur Körbchen.«
    »Das ist aber fein.« Wir wurden handelseinig, ich bezahlte und verstaute die Ware im Eisschrank. Irgendwann würde ich Zeit haben, sie zu zuckern und zu essen. In drei Wochen oder so, jedenfalls vor Einbruch des Winters.
    Ich legte mich auf das Bett und las Alexander von Gisbert Haefs. Es war richtig schön, den ollen Aristoteles sprechen zu hören, als liege er neben mir.
    Sie kamen in schneller Reihenfolge. Erst rauschte Emma mit ihrem Volvo auf den Hof, dann fiel sie mir um den Hals, dann schubste Rodenstock sie beiseite und umarmte mich, und als wir alle drei gleichzeitig irgendeinen Blödsinn von uns gaben, tuckerte ein betuchter Golf Diesel auf meinen Hof, am Steuer ein blonder, dürrer Mensch mit einer Nickelbrille. Er drehte das Fenster herunter und fragte in unsere freundlichen Gesichter: »Könnte es richtig sein, dass ich hier einen Herrn Siggi Baumeister antreffe?«
    »Das ist richtig«, nickte Rodenstock freundlich. »Verlassen Sie Ihr Fahrzeug und stellen Sie sich mit erhobenen Händen zur Durchsuchung.«
    Der mit der Nickelbrille wusste absolut nicht, was er davon halten sollte. Die Frau neben ihm stieg aus, sie war rothaarig und klein und zierlich und hübsch. Und sie sagte: »Wir sind angekündigt.«
    »Kann man so sehen«, nickte Emma. »Wer kocht jetzt Kaffee?«
    »Ich. Hockt euch in den Garten, gebt euch die Hände und vertragt euch.« Ich ging in die Küche und setzte eine Kanne Kaffee an. Dann schleppte ich Tassen und all das Notwendige auf einem Tablett hinaus. Paulchen hatte sich bereits auf Emmas Schoß breitgemacht, und Satchmo saß auf der Schulter von Rodenstock. Willi streifte um die Hosenbeine von der Nickelbrille.
    »Es ist so, Frau ... wie war der Name?«
    »Schmitz. Tessa Schmitz.«
    »Also, es ist so, dass wir Freunde von Herrn Baumeister sind. Und Ihr Vorhaben interessiert mich. Nicht ohne Grund, wie Sie gleich hören werden. Meine Frau ist holländische Kriminalrätin. Ich bin Kriminaloberrat a.D. Wir sind aber recht handzahm. Einen hundertelf Jahre alten Mord? Ist das tatsächlich so? Und wie sieht Ihr Material aus?«
    Dann herrschte Schweigen, ich drehte mich herum und versuchte, Land zu gewinnen. Es war mir vollkommen klar, was Rodenstock wollte: Er wollte sie kirre machen, kleinkriegen, ehe sie anfing, ihr Genie zu betonen. Ich kriegte noch mit, wie sie munter lossprudelte: »Also, das ist ja irre. Fachleute, richtige Fachleute. Wissen Sie, das ist ein echtes Manko bei dieser meiner Arbeit: Niemand hört richtig zu, und niemand ...« Den Rest verschluckte die Hausecke.
    Als ich zurückkehrte, sagte sie gerade: »Und dann kam mir eine Idee. Ich dachte: Du musst einfach fest daran glauben, dass dieser Mord zu beweisen ist. Du darfst dich durch nichts davon abbringen lassen, dass es noch Material gibt, das Licht in diese Sache bringt. Ich sagte mir immer wieder: Tessa, gib nicht auf, ich dachte ...«
    »Erst mal Kaffee«, sagte ich rasch und hart. Ich sah, wie Emmas Blick zum Himmel schweifte, wie sie alle Heiligen beschwor, um Gnade flehte.
    Ich drückte der Nickelbrille die Kaffeekanne in die Hand und sagte freundlich: »Na los, junger Mann, niemand soll darben.«
    Er nahm die Kaffeekanne mit ganz spitzen Fingern, als sei sie eine Kreuzotter. Und dann wusste er nichts damit anzufangen.
    »Da drin ist Kaffee«, half Emma süß. »Der muss in die Tassen.«
    »Ingbert«, sagte Tessa mahnend. »Du bist gefordert.«
    Ingbert beugte sich vor und fragte Rodenstock: »Darf ich einschenken?«
    »Aber ja«, murmelte Rodenstock. »Zu freundlich.«
    Die Zeremonie dauerte ziemlich lange, aber Ingbert schaffte das alles ohne zu zittern, wofür ich ihn heimlich bewunderte.
    »Können wir langsam noch einmal von vorn beginnen?«, fragte ich. »Wann soll denn diese Tat geschehen sein? Ich meine das präzise Datum.«
    »An einem Freitag. Es war der 24. August 1888«, antwortete Tessa wie aus der Pistole geschossen.
    »Wo genau ist das passiert?«, fragte Emma.
    »Es war genau an der Stelle, wo von der Straße zwischen Gerolstein und Daun der alte Weg nach links auf Rockeskyll abging. Geradeaus kam man nach Essingen. Da war ein kleines Wäldchen,
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