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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär
Autoren: Jacques Berndorf
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Reise auf Erden zu Ende ist. Ich habe manchmal geglaubt, dass Du mich nur geschlagen hast, weil Du mit Deinem Schicksal haderst und nicht weißt, wie das Leben weitergehen kann. Aber das ist jetzt egal. Du bist immer in die Kirche gerannt, jeden Sonntagmorgen, und ich habe immer gehofft, dass Du aufhörst, mich zu schlagen und anzubrüllen wie das Vieh. Und dann wollte ich nur noch weg. Gott möge die Männer strafen, die ihre Frauen schlimm behandeln.
    Die Frau aus Amerika, die mal Deine war.
    Das schrieb sie also, und das hat mich sehr nachdenklich gemacht damals, als ich den Brief las. Dieser Hansen übrigens ging an die Mosel, wie ich schon sagte. Und er soll sich später aufgehängt haben, weil er auch dort niemals richtig Fuß fasste.«
    Wir schwiegen eine Weile, dann flüsterte Esther: »Das ist der Fall der erschütternden Briefe. Haben Sie denn rausgefunden, was aus Maria wurde?«
    »Ja, ich fand es heraus. Sie siedelten in der Gegend, die heute das Silikon-Valley genannt wird. Sie bekam noch zwei Kinder. Und einer ihrer Enkel, ein Mann namens George Smith, war als amerikanischer Offizier bei der Fronttruppe, die sich als Speerspitze 1944 durch die Eifel vorwärts kämpfte und den Rheinübergang bei Remagen erreichte. So klein ist die Welt.«
    »Ich verstehe etwas nicht«, murmelte Rodenstock, vollkommen versunken in seiner Welt. »Wir werden niemals erfahren, wer Tutut den Schädel einschlug, und eigentlich ist es auch bedeutungslos. Wir wissen, dass die Männer damals einen Riesenskandal befürchteten und stark unter Angst und Panik gelitten haben. Wie konnten denn die hochwerten Herren von diesem Brief der Maria Hansen an ihren Mann überhaupt erfahren? Das Postgeheimnis war doch heilig. Wie konnten sie vorher wissen, was in diesem Brief stehen würde?«
    »Darüber habe ich auch gegrübelt«, sagte der Alte. Seine Stimme war ganz leise geworden. »Wahrscheinlich haben sie die gesamte Post, die in Gerolstein ankam, überprüft. Wahrscheinlich gab es auf dem Postamt irgendeinen Menschen, der zu ihnen rannte und sagte: Da ist ein Brief an den Hansen aus Amerika! Sie haben den Brief geöffnet und wussten: Jetzt kommt es zum Skandal.«
    »Aber sie hätten den Brief einfach vernichten können«, sagte Emma strikt.
    »Richtig, hätten sie.« Der Alte kratzte sich am Kinn. »Aber vielleicht ging das in ihren Augen zu weit. Hansen hat den Brief bekommen, las ihn, aber Wesendonker war verschwunden. Wesendonker hat gelesen, dass Maria ihn hasste. Er hat möglicherweise vorgehabt, doch noch nach Amerika zu gehen. Als er jedoch den Brief las, wird er gedacht haben: Nie mehr nach Amerika!«
    »Da gibt es noch einen Punkt, den ich geklärt haben will. Der Richter Severus Brandscheid liebt die Frau des Wesendonker. Dass er ihr falsche Papiere verschafft hat, ist klar. Aber ihr Ehemann liegt zu Hause, ist schwerverwundet. Wie hat seine Ehefrau Gerolstein verlassen können, ohne ihrerseits einen Skandal auszulösen?«
    »Ganz einfach«, antwortete der Alte. »Das ist wirklich der Fall der Briefe. Sie hat nämlich an sämtliche Freundinnen und Bekannte Briefe geschrieben. Und zwar so, dass sie ganz nebenbei erwähnte, sie werde notgedrungen nach Berlin reisen müssen, um ihre kranke Mutter zu pflegen. Die Mutter wohnte natürlich gar nicht in Berlin, aber das interessiert in so einem Fall niemanden. Sie schuf sich eine perfekte Erklärung für ihre Abreise. Und sie reiste ab. Und sie besorgte ihrem Ehemann vorher noch eine Haushälterin aus Gerolstein, die den Mann bekochte und das Haus sauberhielt.
    Severus Brandscheid reiste ihr nach, ging dann mit ihr zusammen von Berlin aus nach Bad Doberan. Sie werden zwei dieser Briefe von Frau Wesendonker in diesen Unterlagen finden. Es war übrigens schwer, diese Briefe aufzutreiben. Aber diese hier waren an Freundinnen in Gerolstein gerichtet, die blieben erhalten, Adam Wölber hat sie irgendwie ausgegraben.«
    Die Sonne strahlte grell durch die Gardinen am Fenster, in der Luft flimmerte Staub. »Jetzt die Frage aller Fragen«, lächelte Emma. »Wohin verschwand unser allseits geliebter Karl-Heinrich Wesendonker?«
    »Tja«, strahlte der Alte. »Da bin ich richtig stolz auf mich. Es war mitten in der Nacht, als die Kutsche vorfuhr und ihn im Galopp abtransportierte nach Euskirchen. Adam Wölber hat herausgefunden, dass er in Köln zunächst in irgendeinem Steuer-Zentralamt für diesen Teil Preußens tätig war. Er wohnte auch in Köln, die Adresse habe ich. Und dann, etwa ein
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