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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär
Autoren: Jacques Berndorf
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»Bin ich vorstellbar mit einer Chrysantheme im Knopfloch eines Stresemann?«
    »Ehrlich, nein«, sagte ich inbrünstig.
    »Bis bald!«, lachte er und hängte ein.
    Ich nahm zwei Tabletten des Schmerzmittels und suchte nach Rodenstock. Er hatte sich im hintersten Gartenwinkel hinter dem kleinen Blechhäuschen für die Gartengeräte hingesetzt und starrte in den Abend.
    »Wieso sind wir noch nicht bei diesem Landwirt gewesen? Bei diesem Gustav Mehring in Büscheich?«, fragte ich.
    »Weil wir wissen, dass er ein hartleibiger Partner ist, dass er zwar Material hat, aber nichts herausrücken wird. Wenn wir zu ihm gehen und ihm zeigen, dass wir bereits ein Gesamtbild präsentieren können, und wenn wir ein wenig hinzubluffen, wird er vielleicht von seiner harten Linie abweichen. Es scheint mir die einzige Möglichkeit, ihn zu knacken. Du weißt ja, wenn ein Eifler nicht will, kann der Papst persönlich kommen und ihm was vorweinen, er wird behaupten, den Papst nicht erkannt zu haben. Außerdem will ich mich erst hier durchfinden.« Er wedelte mit den Aufzeichnungen des Dr. Xaver Manstein. »Ich wette, es gibt jemanden, von dem wir noch nie gehört haben. Es muss jemanden geben.«
    »Und was soll dieser Jemand bewirkt haben?«
    »Dass Tutut starb, Baumeister.«
    »Was macht dich so sicher?«
    »Ich bin gar nicht sicher, ich glaube nur fest daran.«
    Ich legte mich ins Bett und las, bis mir die Augen zufielen. Irgendwann in der Nacht kam Esther und sagte mit verheulter Stimme: »Verdammte Hacke, kann ich ...?«
    »Du kannst«, sagte ich in die Schwärze des Schlafzimmers.
    Eine Stunde später stand sie auf, sagte wütend und sehr laut: »Mist!« und verschwand wieder. Sie hatte wohl begriffen, dass Fluchten in diese Dinge keinen Trost bringen, sondern nur neue Fragen.
    Ich wachte auf und siehe da, es war eine christliche Zeit: Acht Uhr. Es gab keinen Quadratzentimeter an meinem heldischen Leib, der nicht schmerzte, aber irgendwie kam ich auf die Beine und schleppte mich ins Bad, wo Esther trällernd in der Wanne hockte und allerliebst tirilierte: »Ich brauche höchstens noch eine halbe Stunde!« Das liebe ich so an meinem offenen Haus: Der Besitzer hat echt Schwein, wenn er frühmorgens im Garten pinkeln gehen darf.
    Emma stellte mir wortlos einen Becher Kaffee hin und bemerkte erst nach ein paar Minuten: »Du musst bei Esther vorsichtig sein.«
    »Ach ja?«
    »Ja, musst du. Sie ist in Wirklichkeit sehr empfindsam, sie ist ein Seelchen. Und sie möchte doch so gern etwas aus ihrem Leben machen.«
    »Oh verdammt, sie war drauf und dran, hier oder bei dir an der Mosel aus dem Handgelenk ein Haus zu kaufen.«
    »Ja, lass sie doch. Baumeister, sie hat Geld wie andere Leute Hausstaub. Wenn sie eine halbe Million in den Sand setzt, merkt sie es nicht mal. Lass sie doch.« Dann setzte sie sich mir gegenüber an den Tisch, sah mich eindringlich an und fragte: »Jetzt ohne Quatsch: Du hast Angst, nicht wahr?«
    »Ja, habe ich.«
    »Aber dafür kannst du sie nicht verantwortlich machen.«
    »Mache ich auch nicht. Sie rückt mir nur zu dicht auf den Pelz.«
    »Lass sie doch. Sie ist fair, das ist die Hauptsache. Was glaubst du, warum ist Wesendonker nicht nach Amerika gefahren?«
    »Wahrscheinlich, weil er Maria Hansen nicht mehr wollte, weil sich irgendetwas anderes ergab.«
    »Und wo ist der Richter geblieben und seine Geliebte, der Drache Wesendonker?«
    »Im Preußischen irgendwo. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Ich weiß nicht, ob wir das wissen müssen.«
    »Ich will es wissen. Es war eine so große Liebe.« Sie klopfte bei jedem Wort auf die Tischplatte und sah richtig verbissen aus.
    Dann ging es, wie häufig bei diesen Fällen, Schlag auf Schlag.
    Rodenstock kam herein und sagte beinahe wütend: »Wesendonker lag sage und schreibe bis zum Heiligen Abend 1888 im Bett. Der Apotheker Toombers kam jeden Tag zweimal, eine Frau wurde angeheuert, die für Wesendonker kochte und ihm das Haus sauberhielt. Und dann muss im Jahr darauf etwas passiert sein, denn der Kaufmann Mogge, der schon einmal seine Kutsche zur Verfügung gestellt hatte, stellte sie erneut in den Dienst der Herrenrunde und brachte Wesendonker nach Euskirchen zum Bahnhof. Der Arzt Xaver Manstein hat Wesendonker insgesamt sechsmal zu Hause operiert und macht eine Bemerkung, die darauf hinausläuft, dass der rechte Arm des Mannes bis zu seinem Tod verkrüppelt sein wird. Kein Hinweis darauf, wohin Karl-Heinrich Wesendonker von Euskirchen
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