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Der Ausflug

Titel: Der Ausflug
Autoren: Renate Dorrestein
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Zeit, dass sie mit dem Kochen anfing. Aber zuerst duschen. Bei diesem Wetter machte man das am liebsten dreimal am Tag.
    Im Badezimmer warf sie ihre Kleider in den wie immer überquellenden Waschkorb. Die letzte Wäsche war noch in der Maschine, wenn sie sich recht entsann. Die musste nachher raus, bevor sie anfing zu müffeln. Mit dem Fuß schob sie eine leere Shampooflasche, einige Schwämme und ein Feuerwehrauto beiseite und stieg in die Duschwanne. Der harte Wasserstrahl ließ ihre Kopfhaut prickeln. Sie dachte: Der Tod ist nur einer von vielen Daseinszuständen. Irgendwo im Kosmos lebte Veronica weiter, im Glitzern der Sterne, im Rauschen des Meeres oder vielleicht sogar in dem Dampf, der jetzt in der Duschkabine aufstieg. Aber wenn sie einfach auf derErde geblieben wäre, hätte sie selbst niemals so etwas Verletzbares wie ein einzelnes Kind zur Welt gebracht, das wusste sie mit düsterer Gewissheit. Wenn ein Mensch starb, richtete er unbeabsichtigt alles Mögliche im Leben anderer an. Das sah man auch an Beatrijs.
    Gwen trocknete sich ab und band die nassen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. Barfuß lief sie ins Schlafzimmer. Dabei sah sie die ganze Zeit Beatrijs vor sich, verliebt und strahlend. Wenn eine der besten Freundinnen mit sechsunddreißig aus heiterem Himmel an einem Schlaganfall starb, hatte Beatrijs gesagt, dann schaute man sich doch schließlich selbst mal tief in die Augen und fragte sich, was man eigentlich so trieb. Und mitunter fand man dann plötzlich den Mut, bestimmte Knoten durchzuhauen und Schritte zu tun, die man schon längst hätte tun müssen. Dann blieb man eben nicht mehr in einer Ehe hängen, deren Haltbarkeitsdatum längst überschritten war. Sondern warf sich ohne Zögern in neue Arme.
    Beatrijs mit einem neuen Mann. Gwen wusste genau, was Vero dazu gesagt hätte. Wenn jemand ein bisschen Glück verdiene, dann Bea. Ein wenig schuldbewusst dachte sie an Frank, den Beatrijs so mir nichts, dir nichts fallen gelassen hatte und den sie jetzt vermutlich nie wiedersehen würde. Frank war zwar nicht gerade die Stimmungskanone unter ihnen gewesen, aber er hatte doch irgendwie dazugehört.
    Obwohl der Tag schon seinem Ende zuging, war es noch immer warm. Widerstrebend öffnete sie ihren Kleiderschrank. Sie beschloss, ein Kleid anzuziehen, das Timo gefiel, das mit den Sonnenblumen. Dass sie beide jetzt das einzige noch intakt gebliebene Paar waren... Man würde sich schon daran gewöhnen. Man gewöhnte sich ja an alles. Doch sie war auf einmal, ganz übergangslos, ungewöhnlich missmutig. Da starben Menschen so einfach oder halsten einem ihre neuen Partnerauf! Alle dachten immer, sie wäre unerschütterlich und würde mit allem fertig. Wie kamen sie darauf? Sie wollten sich einfach alle auf sie stützen. Komm zu Gwen, und alles wird gut. Komm zu Gwen, und alles wird dir verziehen.
    Um sich zu beruhigen, trat sie ans offene Fenster und holte ein paarmal tief Luft. Unter ihr, auf der Terrasse, sagte Laurens gerade etwas zu Timo. Sie beugte sich vor. »...überall gewesen, aber ich finde sie nirgends«, fing sie auf.
    Timo erwiderte: »Dann kümmere ich mich gleich noch mal drum.«
    »Die Jungen schon, die waren auf der Bienenweide, aber diese...«
    Gwen streckte den Kopf hinaus. »Laurens! Wie oft soll ich es dir noch sagen: Das musst du ihnen verbieten! Nicht einmal unsere Kinder dürfen in die Nähe der Bienen kommen! Timo, geh sie bitte sofort holen!«
    Die beiden Männer schauten zu ihr herauf. Timo erhob sich von seinem Stuhl, winkte ihr kurz zu und ging in den Garten. Mit dem Kopf im Nacken blieb Laurens stehen und starrte sie ein wenig treudoof an. »Tut mir Leid, Gwen«, sagte er nach einigen Augenblicken. Dann wandte auch er sich ab.
    Sie blickte zu ihm hinab, während er ziellos auf der Terrasse herumstakte, und dachte: Du hast Tag und Nacht mit ihr gelebt, du hättest etwas bemerken müssen, irgendein Vorzeichen, Kopfschmerzen, Schwindel. Wohl wieder mal zu viel um die Ohren gehabt, wieder mal irgendeine dämliche Krise in deiner Druckerei, was? Glaub bloß nicht, dass ich nichts von dir weiß! Mach dir nur ja keine Illusionen, wie Freundinnen über ihre Männer reden!
    Am Rand des Rasens bückte er sich und hob ein T-Shirt auf. Nicht das geringste Gefühl für Prioritäten, hatte Veronica immer lachend gesagt: Sich über nichts und wieder nichts aufregen, aber vor sich hinträumen, wenn es wirklich darauf ankommt,echt, bei Laurens weißt du die meiste Zeit nicht, wo er mit
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