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Der Ausflug

Titel: Der Ausflug
Autoren: Renate Dorrestein
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Mit unverändert heftigen Bewegungen brach sie die Hülsen auf. »Ich ess heut Abend mein eigenes Essen, hier bei mir zu Hause! Mit dem Mann setz ich mich nicht mehr an einen Tisch!«, murmelte sie streitlustig vor sich hin.
    Laurens zögerte kurz. Meinte sie ihn oder den Kotzbrocken? Dann ging er aber doch zu ihr und setzte sich neben sie auf die Bank.
    Sie warf eine Hand voll Bohnenkerne in den kleinen Topf auf ihrem Schoß. »Ich hab hart gearbeitet. Ich hab ein Recht auf meine Ruhe.« Da erst bemerkte sie ihn und lächelte.
    »Viel los gewesen, heute Nachmittag?«, fragte er. Bobbie war der Ansicht, sie sei diejenige, die in dem kleinen Laden im Vorderhaus den Unterhalt für sie alle verdiente. Die Kunden dort bezahlten wenigstens mit echtem Geld, und das konnte man von den Männern, die ständig mit ihren Lieferwagen kamen und gingen, um ganze Paletten Honig und Kerzen mitzunehmen, nicht behaupten. Bobbies Meinung nach waren ihr Bruder und ihre Schwägerin nicht ganz bei Trost, dass sie tagaus, tagein so viel weggaben, ohne je einen greifbaren Euro dafür zu sehen. Jeden Abend um Punkt sechs Uhr brachte sie die Kassenlade ins Bauernhaus, um den anderen die Münzen und Scheine zu zeigen, die sie, als Einzige, an diesem Tag verdient hatte. Die zwei konnten froh sein, dass sie sie hatten.
    »Heute war der Bär los.« Sie blähte die Wangen auf und rollte mit den Augen. »Dreimal, nein, viermal hatte ich Leute da. Liegt am Wetter.«
    Laurens nahm einen Bohnenkern aus dem Topf und steckte ihn sich in den Mund. »Aber jetzt ist Samstagabend. Jetzt hast du frei. Und darum hättest du es gern gemütlich und hast keine Lust auf einen Unbekannten, der noch dazu...«
    »Laurens !« Sie schlug nach seiner Hand, als er sich nocheine Bohne nehmen wollte. »Davon kriegst du was, wenn du die roh isst!«
    »Ich nicht. Ich krieg nie was. Ich bin ein Mann aus Stahl.«
    Sie musterte ihn skeptisch. »Wo soll der Stahl denn sein?«
    Er klopfte sich auf den Brustkasten. »Hier drinnen.« Er war ihr Ritter, er war beim Essen heute Mittag für sie eingetreten. Darauf konnte er stolz sein, das war kein Grund, sich Vorwürfe zu machen.
    »Kann nicht sein«, sagte sie entschieden. »Glaub ich nicht. Möchtest du ein Bier?« Sie erhob sich und ging ins Haus.
    Er hörte sie in der Küche leicht entrüstet mit sich selbst reden: »Er zieht dich durch den Kakao, hör nicht auf ihn, mach einfach die Ohren zu, verstanden?«
    Als sie mit einer Dose Bier in der Hand wieder nach draußen kam, sagte er rasch: »He, Bobbie, ich hab noch mal gefühlt, und du hattest Recht, da sind nur Knochen. Ich hab mich geirrt.«
    »So, so.« Sie zog die Dose auf und reichte sie ihm, während sie sich mit der anderen Hand das dicke Haar hinter die Ohren strich.
    Um sie milde zu stimmen, fragte er: »Warum heißt das hier eigentlich noch immer das Sommerhaus? Das ist doch ein Name von früher.«
    Vertraulich beugte sie sich zu ihm herüber. »Weil bei mir immer die Sonne scheint. Bei mir«, sie lachte unvermittelt aus vollem Hals, »bei mir geht nie die Dunkelheit an.«
    »Gut gesagt«, lobte Laurens und nippte von seinem Bier. »Ach«, relativierte Bobbie. Sie nahm den Topf Bohnen und stellte ihn sich wieder auf den Schoß.
     
    Gwen war hineingegangen, um ihrer Tochter im Babyzimmer die Windel zu wechseln. Eine beschauliche Arbeit, und doch musste sie dabei einen Seufzer unterdrücken. Es blieb einfach gewöhnungsbedürftig, ein einzelnes Baby, es sah so unfertig aus, nur eines: ein Mädchen, das sein Leben lang allein dastehen würde. Timo fand, dass das Quatsch war, und das wurmte sie. Andere sahen schließlich auch , dass da etwas nicht ganz stimmte. Erst kürzlich noch hatte Bobbie zum Beispiel so etwas Wunderliches gesagt. Auf ihre bedächtige, klare Art hatte sie mit einem Mal bemerkt: »Ein Baby ist noch kein Mensch. Aber es ist natürlich auch kein Tier. Nur, was ist es dann?« Bei den Engeln hatte sie sich diese Frage nie gestellt, und bei den Kleinen auch nicht.
    Veronica hätte bestimmt eine passende Antwort gewusst. Sie hätte irgendetwas Verrücktes gesagt, das trotzdem logisch und vernünftig geklungen hätte.
    Gwen schloss die Windel, hob ihr Mädchen hoch und gab ihm einen Kuss aufs Köpfchen. Dann legte sie es in die Wiege. Sie ließ kurz das ausgeleierte Gummiband mit den bunten Plastikentchen hin und her schaukeln. Dann zog sie am Bändchen der Spieluhr. Schlaf, Kindlein, schlaf.
    Sie wartete, bis die klaren Gucker zufielen. Es wurde höchste
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