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Der Ausflug

Titel: Der Ausflug
Autoren: Renate Dorrestein
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noch sorglos in Gwens Garten hatten reden und lachen hören. Und jetzt waren sie genauso tot wie sie. Er musste Bobbie bei Gelegenheit mal fragen, ob es einen Bienenhimmel gab. Bestimmt würde er eine großartige Geschichte zu hören bekommen.
    Er verstand selbst nicht so recht, warum er sich so friedvoll fühlte. Seines Wissens hatte er nichts unternommen, woraus diese erhabene Stimmung resultieren könnte. Früher hätten die drei Freundinnen ihm über so was gehörig auf den Zahn gefühlt, während Timo, Frank und er die Gläser noch einmal gefüllt und von der Tapenade gekostet hätten. »Laurens, du Schafskopf. Jetzt überleg doch mal selbst!« Aber musste er wirklich alles haarklein ergründen wollen?
    Er schaltete und schaute mechanisch in den Spiegel. Auf Niels’ Gesicht lag ein glückseliger, verliebter Zug. Er lächelte: Nicht schwer zu erraten, von wem er träumte.
    Leicht amüsiert dachte Laurens, dass es bestimmt eine solide Grundlage war, wenn man die erste Liebe mit zweiundzwanzig Klassenkameraden teilen musste. Irgendwann würde sein Großer ein erwachsener Mann sein, mit erwachsenen Gefühlen und Problemen. Hoffentlich wurde er besser damit fertig als sein Vater.
    Denk dran, Niels, Toby immer ein gutes Vorbild sein!
    Wenn Toby Wind davon bekam, dass sein großer Bruder mit Nicky zu Veronicas Grab ging, würde er natürlich auch gleich hin wollen. Aber wenn schon, dann ging er eben mit ihm hin. Es wurde Zeit, endlich mal auf den Friedhof zu gehen.
    Schau mal, Toby, hier liegt Mama, in ihrer Kiste.
    Er wusste gar nicht, ob er das Grab noch finden würde. Wahrscheinlich musste er den Friedhofswärter danach fragen. Wissen Sie, es hat eine Weile gedauert, bis ich wirklich begriffen habe, dass meine Frau tot ist. Ja, Sie sagen es, sehr merkwürdig. Aber vielleicht gibt es noch merkwürdigere Dinge. Dass es zum Beispiel immer wieder etwas gibt, was unser Herz trotz allem mit Hoffnung erfüllt, und sei es nur die demütige Hoffnung, dass unsere Kinder eine bessere Ausgabe von uns selbst sein mögen. Und das Allermerkwürdigste ist, dass sich diese Hoffnung sogar meistens erfüllt.
    In einer plötzlichen Anwandlung, die er sich selbst nicht erklären konnte, bog er von der Autobahn auf einen Parkplatz ab. Die Rastfläche lag wie ausgestorben da. Um seine Söhne nicht zu wecken, ließ er den Motor an, als er ausstieg. In der Ferne war der durchdringende Ruf einer Eule zu hören, rau und wehmütig. Es war kalt und dunkel. So dunkel, dass jeder Stern am Himmel sichtbar war. Die Hände in den Hosentaschen, stand er neben seinem leise schnurrenden Auto, legte den Kopf in den Nacken und sah nach oben.
    Na, Laurens, was geht dir gerade so alles durch den Kopf? Ich habe Thymianhonig für dich gekauft.
    Wenn er nur lange genug schaute, würde er sie ganz bestimmt sehen.
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