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Der Ausflug

Titel: Der Ausflug
Autoren: Renate Dorrestein
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gebe es eine Beständigkeit, die gar nicht anders konnte, als ruhig ihren Gang zu gehen.
    Die Kinder schleppten das letzte Holz auf den Holzstoß. Gleich konnte sie ihn anzünden. Sie fragte sich, ob sie Timo Bescheid sagen sollte, und das verwirrte sie. Sie musste es dochim Gefühl haben, ob er zuschauen wollte oder nicht, wenn seine Kästen in Rauch aufgingen, oder? Aber zum Glück kam er gerade von selbst angelaufen.
    Sein Gang hatte etwas Munteres, das beinahe fehl am Platze wirkte: Er bewegte sich, als sei der Himmel völlig wolkenlos. Warum war er nur immer so verdammt frohgemut und unverwüstlich? Ein richtiges Stehaufmännchen. Keine Macht der Welt konnte ihn umwerfen. Während sie hier inmitten der Trümmer seines Traums stand, blieb er unerschütterlich wie eh und je.
    »Beatrijs ist da«, rief er ihr zu.
    Sie erschrak. »Wieso? Sie ist doch heute Morgen erst entlassen worden, und da kommt sie gleich hierher?«
    »Oh, danach hab ich nicht gefragt.« Timo schaute sich um. »Donnerwetter, ihr seid gut vorangekommen. Was meinst du, sollen wir in der nächsten Saison da hinten links wieder mal ein paar Felder Glockenheide setzen? Wenn wir die Pflanzen jetzt klein einkaufen, kosten sie uns so gut wie nichts.«
    Sie war zu durcheinander, um ihm zuzuhören. Hatte Bea den Braten jetzt schon gerochen und kam, um sie zur Rechenschaft zu ziehen? Was sollte sie ihr denn um Himmels willen sagen? Ach, Kind, so was kann halt passieren, was macht es schon groß aus, dass wir einander unser Leben lang blind vertraut haben, schon seit der Zeit, als du noch Bessie Turf warst und ich Daisy Duck? Was spielt es schon für eine Rolle, dass wir einander einst mit Herzblut ins Poesiealbum schrieben: »Rosen, Tulpen, Nelken, alle drei verwelken, Stahl und Eisen bricht, aber unsere Freundschaft nicht«? Warum sollte es auch ins Gewicht fallen, dass wir als kleine Krümel vertraut unsere Mützen tauschten und stolz die Handschuhe der anderen trugen, dass wir später treu die Hausaufgaben voneinander abschrieben, dass wir zusammen unsere erste Zigarette rauchten und unsere ersten Kondome kauften, dass wir einanderargwöhnischen Erwachsenen gegenüber deckten, dass es keine Träne und kein Lachen gab, die wir nicht miteinander geteilt hätten? Wen kümmert das schon? Unsere Freundschaft stammt aus der Zeit, als das Böse dieser Welt uns noch nichts anhaben konnte, aber die Zeiten haben sich geändert. Heutzutage werden Babys am helllichten Tag gestohlen und Monate später in aller Gemütsruhe an denselben Ort zurückgelegt, ohne dass man sich das zu Herzen nehmen darf, eine Zeit also, in der alles möglich ist, was man immer für unmöglich gehalten hätte. Verlass dich besser auf nichts mehr. Denn jetzt heißt es schlichtweg: Jeder ist sich selbst der Nächste.
    Erschrocken dachte sie: Aber so jemand möchte ich gar nicht sein.
    »Willst du nicht reingehen, Maus?«, fragte Timo. »Ich mach das dann hier fertig, mit den Kids.«
    Ein wenig schwindlig entfernte sie sich von den kahlen Rabatten, in denen die Skimmien, die Goldruten und die Tausende von Astern die Bienen jahraus, jahrein fleißig gehalten hatten. Sie wappnete sich und betrat die Küche.
    Beatrijs saß mit Bobbie am Tisch, der immer noch mit Timos Papieren übersät war, sie unterhielten sich. Leander stand an der Arbeitsplatte und trank Kaffee. Sie hatte gar nicht daran gedacht, dass er natürlich auch da sein würde: Beatrijs konnte ja gar nicht Auto fahren. Er stellte seine Tasse ab und nickte ihr so ausdruckslos zu, dass es ihr für einen kurzen, hoffnungsvollen Moment gelang, sich einzubilden, es wäre nie etwas zwischen ihnen gewesen. Doch gleich darauf fühlte sie sich leer und enttäuscht.
    »Gwen!«, rief Beatrijs aus und rappelte sich halb in den Stand. Es war überdeutlich, dass sie sich freute, sie zu sehen.
    »Bleib sitzen.« Gwen wedelte mit den Armen, hin- und her- gerissen zwischen Erleichterung und schlechtem Gewissen.
    »Was machst du denn hier, du Verrückte? Solltest du nicht lieber mit einer Kanne Tee zu Hause auf dem Sofa sitzen?«
    »Leander kommt Yaja holen. Und da fand ich es gemütlich, kurz mit zu fahren.«
    »Ach, ich dachte Yaja würde das ganze Wochenende bleiben?«
    »Ist sie oben?«, mischte sich Leander in beiläufigem Ton ein. »Dann rufe ich sie gleich mal.« Er fühlte sich bestimmt auch nicht wohl in seiner Haut. Mit eingezogenem Kopf verließ er die Küche.
    Sofort beugte sich Beatrijs vor. »Ich weiß nicht recht, wie ich es taktvoll
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