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Der Aufstand

Der Aufstand

Titel: Der Aufstand
Autoren: Sean McCabe
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wie eine Eierschale. Erleichtert stellte sie fest, dass am Zündschloss ein kompletter Schlüsselsatz hing.
    «Du schaffst das, Joel. Halt durch.» Sie hob ihn hoch, legte ihn hinten in den Geländewagen, warf hastig eine alte Decke über ihn und sprang auf den Fahrersitz. Der Motor sprang sofort an, und gleich darauf erhellten die starken Scheinwerfer den Burghof. Alex wischte den Schnee von der Windschutzscheibe und raste auf das Tor zu, das der schwere Wagen mühelos durchbrach.
    Nun musste sie Joel nur noch zu einem Arzt bringen. Sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit ihr dafür noch blieb. Vielleicht waren es ein paar Stunden, vielleicht auch nur wenige Minuten. Kilometer um Kilometer schlängelte sich die Passstraße durchs Gebirge. Der Sturm hatte an Heftigkeit noch zugelegt, und die Scheibenwischer schafften es gerade noch, den Schnee schnell genug beiseitezuschieben, dass sie sehen konnte, wohin sie fuhr, während der Wagen über die schmale Straße rumpelte. Nach einem großen Felsen auf der linken Seite erkannte sie ein verlassenes, fast vollständig unter dem Schnee begrabenes Motorrad mit Beiwagen. Alex war noch nicht lange unterwegs, als sie sich eingestehen musste, dass sie niemals rechtzeitig einen Arzt finden würde, der Joel retten konnte. Selbst mit ihren scharfen Vampiraugen konnte sie dort draußen nirgendwo auch nur ein Licht entdecken, das auf eine Ortschaft hingedeutet hätte. Dann spürte sie, wie der Wagen heftig ins Schlingern geriet, und hörte im nächsten Augenblick, wie Metall über Stein schrammte. Der Wagen kam zum Stehen und kippte ächzend auf die Beifahrerseite. Joel stöhnte auf, als er gegen die Seitenscheibe geschleudert wurde. Alex drehte sich auf dem Fahrersitz und trat mit den Füßen so heftig nach oben, dass die Fahrertür aus ihren Angeln gerissen wurde und in den Schnee fiel. Sie kletterte heraus, packte den Rand des Autodachs und stellte den Wagen unter Einsatz ihrer ganzen Kraft wieder auf die Räder.
    Dann sah sie einen immer größer werdenden schwarzen Fleck im Schnee. Der Felsbrocken, über den sie gefahren war, hatte die Ölwanne aufgerissen. Ihr würde nichts anderes übrigbleiben, als so lange weiterzufahren, wie der Motor durchhielt.
    Sie sprang in den Wagen und versuchte, den Motor wieder anzulassen.
    Keine Reaktion. Sie versuchte es noch einmal, aber wieder vergeblich. Sie hätte am liebsten vor Wut laut aufgeschrien.
    Joel bewegte sich. Als Alex hörte, wie er ihren Namen murmelte, sprang sie aus dem Wagen und riss die hintere Tür auf. Blut tropfte aus dem Fahrzeug in den Schnee. Sie hob ihn sanft heraus und legte ihn auf den Boden.
    Sein Blick suchte sie. Seine Lippen öffneten und schlossen sich, und ein blutiges Rinnsal ergoss sich über sein Kinn.
    «Nicht sprechen», flüsterte sie und wiegte ihn in den Armen.
    Ein Jahrhundert, ein Jahrzehnt und drei lange Jahre waren vergangen, seit sie das zum letzten Mal durchgemacht hatte.
    Sie würde ihn verlieren – ebenso, wie sie ihren William verloren hatte.
    «Alex …», krächzte er leise. «Ich habe Angst.» Er hustete, und aus seinem Mund sprudelte noch mehr Blut.
    «Ich auch», sagte sie.
    Ihm blieben nur noch wenige Sekunden.
    Sie beugte sich zu ihm hinab und schaute ihm in die Augen, als das Licht in ihnen zu erlöschen begann. Sie spürte, wie seine Muskeln sich in einem letzten Akt des Widerstands anspannten, als der Tod ihn in seine Arme nahm, um gleich darauf wieder zu erschlaffen.
    Und als er seinen letzten, langen, seufzenden Atemzug tat, öffnete sie den Mund und biss ihm tief in den Hals.
    Sie trank von ihm und schmeckte sein Blut, während es sich mit ihrem Vampirspeichel und den Tränen vermischte, die ihr über die Wangen liefen. Sie spürte, wie seine Energie in ihre Adern überging – und ihre eigene Kraft in ihn floss.
    Als sie den Kopf hob und wieder auf sein Gesicht herabschaute, waren seine Augen geschlossen. Er sah so friedlich aus, als würde er schlafen.
    «Was habe ich dir nur angetan?», murmelte sie.
    Etwas, das er ihr nie verzeihen würde.
    Weil er das nächste Mal, wenn er die Augen öffnete, dies nicht mehr als Mensch tun würde. Joel Solomon würde dann ein Vampir sein.
    Alex blickte hoch in den Himmel. Es würde noch lange genug dunkel bleiben, um einen Unterschlupf zu finden, bevor der neue Tag anbrach.

Im Gespräch mit Sean McCabe
     
    Herr McCabe – warum schreiben Sie über Vampire?
    Meine Begeisterung für diese Wesen geht bis in meine Kindheit zurück. Als
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