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Der Aufstand Der Ungenießbaren

Der Aufstand Der Ungenießbaren

Titel: Der Aufstand Der Ungenießbaren
Autoren: Edo Popovic
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ab.
    Aber wir haben nicht getötet, sagte sie.
    Hätten die hören wollen, wovon wir reden, hätten wir nicht angefangen zu schießen, sagte er.
    Du bist ein Idiot, sagte sie, und verlangsamte das Tempo.
    Sie näherten sich einer hohen, grauen Mauer aus Stahlbeton, die mit Stacheldraht und Überwachungskameras verziert war. Sie bogen ab und fuhren in das Straßenlabyrinth der südlichen Vorstadt.

Drittes Kapitel
    Ein Lager unter einem Feldahorn – Statisten – Eine Blume, die aus dem Stein wächst – Fische, die im Wasser ertrinken – Die Täler und Berge sind immer da – Die Schlange – Nikola Joki ć – Im Berg bist du nie allein
    Am Rand der Bergwiese, die von zerklüfteten, spitzen und rauen Steinbrocken umrahmt wird, ist unter einem Felsahorn ein leichtes Biwak aufgeschlagen. Vor dem Zelt sitzt Ivan Vida im Schatten, der keine Abkühlung bringt – er sitzt dort im Yoga-Heldensitz und trinkt gerade aufgebrühten Tee aus frischem Bohnenkraut, aber er ist überhaupt kein Held, er war nie einer, diese Sitzposition wird nur so genannt, der Name stammt aus anderen Zeiten, aus Zeiten, als die Menschen sich vielleicht noch irgendwelcher Heldentaten rühmen konnten, woran
allerdings zu zweifeln wäre. Held ist üblicherweise nur eine andere Bezeichnung für Massenmörder. In den Büschen hinter Vidas Rücken rascheln Eidechsen, von
irgendwoher schreit eine Krähe, er trinkt die Flüssigkeit, die die Farbe von Benzin und den Duft einer Wiese hat.
    Dieser Stein dort ähnelt einem Hund
    der mit hängenden Ohren da liegt
    und mich beobachtet.
    Ganz bestimmt beobachtet mich jemand,
    die Eidechse, eine Schlange, die Krähe,
    ein Mensch, der vor langer Zeit auf den Berg gekommen ist,
    und vergessen hat …
    Er lacht auf.
    Was treibt mich nur um, was für ein Mensch, hier gibt es keine Menschen mehr.
    Es ist früher Nachmittag, Westwind ist aufgekommen, die Hitze beginnt schwächer zu werden. Nachdem er seinen Tee ausgetrunken hat, wirft er die Tasse ins Zelt, den Rucksack über seine Schulter und läuft in Richtung Nordwesten. Das trockene Gras in der Farbe des Wüstensandes knirscht unter seinen Sohlen. Er läuft und bleibt immer wieder stehen, um die Umgebung zu betrachten. Vor zehn Jahren ist er hier schon einmal vorbeigelaufen. In seiner Erinnerung findet er nur trübe Umrisse des Berges und des Himmels, grau, grün, blau, und das bösartige Pfeifen des Windes in den Gräsern. Und das Schwirren der Gewehrkugeln.
    Er späht im Vorbeigehen in die verlassene Hirtenhütte am Rande des Hainbuchenwaldes. Er erkennt im Halbdunkel Stühle, einen Tisch und ein zerbrochenes Bett. Verkohlte Enden von Holzscheiten und Asche in der Feuerstätte in der Mitte des Raums. Es riecht nach Fäulnis und Rauch, leere Hundefutterkonserven und Jagdgewehrpatronen liegen zerstreut vor der Hütte. Seitdem er hierhergekommen ist, sind ihm viele Nistkästen aufgefallen, sie sind nummeriert. In einem Wäldchen ist er auf eine Futterstelle für Rehe gestoßen. Er sieht einen Haufen abgenagter Maiskolben und Hufspuren in einer ausgetrockneten Pfütze, neben der ein hölzerner Hochstand steht.
    An dem einen Ende der Wiese, über die im Norden ein zerklüfteter Felsen ragt – er sieht aus wie eine Kathedrale, denkt er –, sieht er morsche Kisten, in denen einst Minenwerfermunition gelagert wurde. Eine Tafel am Straßenrand warnt vor der Gefahr, die von zurückgebliebenen Granaten ausgeht.
    NICHT BERÜHREN – BITTE 112 ODER 92 ANRUFEN
    DO NOT TOUCH – CALL 112 OR 92
    Als er die Straße weiter entlangläuft, stößt er auf eine Panzersperre, die in Richtung Tulove Grede, den ho-
hen Klippen im Nordwesten, gerichtet ist. Dort, wo im Krieg die kroatischen und serbischen Soldaten all das getan haben, wofür der Steuerzahler das Militär schließlich bezahlt: töten, foltern, massakrieren, vertreiben, brandschatzen, zerstören. Als Vida noch ein Junge war, drehte man hier Westernfilme. Die Statisten rannten und kletterten herum und schossen mit Platzpatronen aufeinander. Als er dann erwachsen war, kletterte er auch auf den Felsen, aber er schoss mit scharfer Munition. Am Ende reduziert sich alles auf Statisten, die man hin und her jagt und zwingt, allerlei Verrücktheiten und Übeltaten zu verüben. Unter der Sperre blüht ein Büschel weißen Heidekrauts. Er pflückt eine Handvoll davon und stopft es in seinen Rucksack. Zwei am Straßenrand eingerammte Blechtafeln des Zentrums für die Entfernung von Minen mit aufgemaltem Totenkopf warnen
    NICHT
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