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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes
Autoren: Karl Bleibtreu
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keinen Ursprung in der Zeit. Es muß also mit einem andern Weltprinzip in Verbindung stehen als der sogenannten Materie,
nämlich einer hoch über Kraft und Stoff thronenden Ordnung. Die Schwangerschaft der »Ideen« kann nur
indisch durch »Gottesatem« (Atman) erklärt werden. Eine ausgeschiedene Gehirnsekretion (Büchner,
Moleschott) ist ebenso kraftstofflich phantastisch wie ein anatomischer Sitz der Seele (Descartes' kostbare
Zirbeldrüse), und die Psycho-Physiologie (Mach, Wundt) verneint kleinlaut jeden Zentralnexus der Hirnganglien, die
»Seele« flüchtet neckisch vor Naseweisen, verflüchtigt sich durchs ganze Nervensystem (richtiger
gesagt: durch die organische Lebensgestalt), wie es ja bei Elektronen nicht anders sein kann. »Der Wind weht, man
weiß nicht, von wo er kommt und wohin er geht.« (Auch dies christliche Gleichnis für den heiligen Geist der
Ideenschauung stammt wörtlich aus den Upanischaden.) Diese physikalisch erkannte und mathematisch bewiesene stofflose
Elektronenseele kommt aus dem Äther und kehrt dahin zurück, um sich erneut einer andern Lebensgestalt anzupassen.
Das ist notwendig ihr Wesen, eins folgt aus dem andern. So drängt sie sich jedem auf, der indische Weisheit fortsetzt.
Doch das Gesetz der Anpassung »des immateriellen Lebensprinzips« (Kant) an die »Natur« legt noch
feinere Rätsel vor. Wir wählen dafür ein von uns gefundenes Beispiel.
    Bekanntlich ist Begrünen der Wälder und Wiesen nur Aufspeicherung von Sonnenlichtern, dies wirkt wohltätig
auf Sehkraft und Nerven! Wer schuf dies Phänomen zugunsten des Menschen? Er selbst durch Anpassung, da selbstredend das
Grün nur von ihm als Grün gesehen wird, oder die Natur aus Wohlwollen? Wohl wird der Evolutionist
frischfröhlich schwärmen, der Mensch besitze die Macht, seine Augenlinse so einzustellen wie ihm beliebt. Das
führt logisch zur »Welt als Vorstellung des Ich« und macht jedes objektive Naturforschen illlusorisch, da
dann das Naturbild nur vom Menschenwillen abhinge. Diesen Größenwahn verbittet sich der Transzendentalist genau so
wie der Materialist. Hält hingegen der Deist alten Stils dies wohltätige Grün für freie Schenkung der
Natur, so stecken wir in schönster Theologie, wo Gott sich höchst persönlich ums Wohlsein seiner
Menschenkinder müht! Das Naturerscheinungen expreß für uns erfunden und zugestutzt werden, gehört zu
anthropomorphischem Wahnwitz, der Jehova für Josua die Sonne stillstehen läßt. Die Lösung kann also nur
sein, daß Ich und Natur sich in die Hände arbeiten, beide gleichzeitig das Grün als passend wollen. Logik:
die innere Einheit alles Seins. Haeckel erklärt das Grün vieler kleiner Vögel, Insekten, Strandfische auf
Ceylon mit der Mimicry, diese Geschöpfchen befehlen wohl auch das abnorme Floragrün der Insel für ihre
Selbsterhaltung gegen etwaige Feinde? Abgesehen davon, daß dortige schwarze Affen, die doch auch zum Verstecken
Anlaß hätten, nicht grün anlaufen, hat die Sonne auf Ceylon abnorme Lichtfülle, selbst das Strandwasser
abnorme Wärme. Da Grün aufgefangenes Licht ist, zeigt also Ceylon selbstverständlich abnormes Begrünen,
was sowohl die Flora als die im Licht badende kleinere Fauna grün färbte. Die Anpassung erfolgt nur von
außen, das Licht paßt sich dieser Färbung an, nicht die Geschöpfe sich der Naturerscheinung. Indessen
drängt sich sofort jene andere Betrachtung auf. Sobald man sich vom ungebildeten Mechanismus lossagt, erkennt man
sinnvollen Zusammenhang bei individueller Willkür psychischer Emanation. Das Schauen des Grün als Grün ist
subjektiver Akt bestimmten Sehvermögens, bei dessen Verschiebung die Farbe anders ausfallen könnte. Nun tut
Grünsehen der Bäume und Wiesen den Augen und Nerven wohl, der wahre Sehnerv arbeitet aber unsichtbar im Hirn und
muß daher erst den Wunsch des Grünsehens hegen. Bei solcher Zwecksetzung fragt sich, wie oben gesagt, wer uns die
Wohltat verschafft, die Natur oder wir uns selber. Daß die angeblich mütterlich besorgte Natur, bloß um dem
Menschen zu dienen, die Lichtumsetzung in Grün schuf, wäre um so unverständlicher, als es ein objektives
Grün gar nicht gibt. Daß aber umgekehrt die subjektive Farbenempfindung von sich aus die Macht hätte, die ihm
subjektiv zuträglichste Farbenskala auszusuchen und der Natur aufzuzwingen, glaubt wohl kaum der radikalste
Anpassungsgläubige, der ja doch sonst objektive Allmacht der Natur voraussetzt. Dieser
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