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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes
Autoren: Karl Bleibtreu
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ruhendes Zentrum, ihre rasende Auswirkung reißt den Erdball
mit sich fort, ohne ihm geschlossene Eigenbahn zu gestatten. Mit Heliozentrik ist nichts getan, jedes Geschöpf ist sich
geozentrischer Mittelpunkt, erst wenn es durch Theozentrik aus sich heraustritt, gewinnt es erleichterte Ruhe.
Anthropozentrisch sich anbiedern, ob in Christo oder Mechanistik oder Steiners Geistmenschen, bereitet immer nur das
vereitelte Mahl des Äneas, das die Harpyen beschmutzen, gesegnete Mahlzeit! Was Poincaré, G. Russel, Jeans
über Entstehung, über Bewohnbarkeit der Planeten spekulierten und analysierten, bleibt widerspruchsvoll, dagegen
bedeutungsvoll Eddingtons neuste Entdeckung, daß zwischen Sternmasse und deren spezifischer Leuchtkraft direkte
Beziehung besteht. Jeans und Macmillan vermuten, daß die Sternmasse sich fortwährend vermindert (die Sonne um 4
Millionen Tonnen pro Sekunde), in dem Maße, wie sie Strahlenenergie in den Raum ergießt? Nun damit wäre
Helmholtz' nie verminderte Arbeitskonstanz nicht aufgehoben, denn dauernde Verminderung der Masse vermindert nicht die Arbeit
ewiger Transformierung, Schwinden der Masse bedeutet nur Umsetzung in vermehrte stofflose Energie. Ein richtiggehender
Materialismus muß aber an Konstanz der Masse festhalten, d. h. dessen, was er Materie nennt, d. h. des stofflich
Körperlichem bei gleichem, stetem Atomgewicht. Nun fanden aber Ramsay und Rayleigh verschiedenes Atomgewicht des
Nitrogens, Ashtons »Itopes« bauten dies später aus, auf diesem Weg entdeckte man ein neues chemisches
Element, Argon. Dieser Zwiespalt zwischen chemischer Atomlehre und wissenschaftlicher Beobachtung, daß verschiedene
Methoden verschiedene Atomgewichte theoretisch hervorbringen, macht eben sowohl Atome als Gewichte relativ.
    Wir stehen heute, Mitte 1925, schon in neuer Epoche einer Überintellektualität, darin sich einst vielleicht die
Atlantier erfreuten und aus der sich eine Art Übermetaphysik herauswickelt. In diesem Sinne wird die Losung
»Relativ«, die Einstein in die aufhorchende Welt schleuderte, in denkerischer Ausdeutung vielleicht zur
Grenzscheide neuer Weltbetrachtung. Selbst die Sinne erweisen sich heute als ganz und gar relativ. Riechen gilt als
schärfster Sinn der Tierwelt, äußerliches Hören mit Ohren ist dort nicht viel besser als unsere Taubheit
für alle nicht aufdringlich lauten Töne. Doch dem 5., 6. oder 8. Sinn einer 4. Dimension am verwandtesten ist das
psychische Hören. Das Insekt ohne zentrales Nervensystem empfängt Sensation von seinen
»Ganglienzentren« im ganzen Körper, durch sphärische Schwingung oder elektronische Wellen hört es
drahtlose Botschaften aus erster Hand, während wir derlei erst in Worte übersetzen müßten. Was man
Instinkt nennt, ist ein elektrischer Sinn, hat nichts gemein mit Sehen, Hören, Riechen. So tritt das Unsichtbare,
Unhörbare wiederum glänzend als das Primäre auf, unsere Altvordern besaßen es sicher als
elektromagnetische hypnotische Geheimkraft, ehe sie sich zum historischen Adam erniedrigten. Darum verzeichnet man heute die
bisher belächelten Rezepte uralter Magie als praktische Fingerzeige, magische Psychebehandlung erscheint immer klarer
als okkulte Weisheit, zu der sich wahre Heilkunde zurückfinden muß. Man staunt über rastlose Betriebsamkeit
naturwissenschaftlicher Einzelbetriebe in Verknüpfung modernster Medizin, Biologie, Physik, Chemie. Doch aufrichtige
Achtung vor so viel Fleiß und Scharfsinn, die sich sogar in Nägelis »oligodynamischer Wirkung« ins
Unsichtbare erstrecken und durch dies Übergreifen erst Lebenschemie auf richtige Basis stellen, schmälert nicht das
Ergebnis, daß auch hier jeder Antipsychismus sich am Ende seiner Leistung erkennt, wie ein lesenswerter Aufsatz im
»Atlantic Monthly« Juni 1925 zugibt. Nämlich daß »psychische Medizin« viel erfolgreicher
sein würde als die mit chemischer Arznei und Chirurgenmesser, und daß man wohl 1950 mitleidig auf heutige
Bemühung zurückblicke, Krankheit durch äußere Mittel zu heilen. Auf psychische Naturheilkunde verstanden
sich aber die Urmenschen natürlich unendlich besser, da ihnen alle uns erloschenen elektrischen unbewußten
Kräfte zu Gebote standen. [Fußnote]Bestreiten kann man ja alles, so jüngst auch das Sargassomeer trotz
zahlloser Zeugnisse. Entspricht aber Platos seltsame Kunde, an der Untergangsstelle von Poseidonis tue sich
undurchdringlicher Schlammabgrund auf, nicht genau jenen Tangmassen?
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