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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes
Autoren: Karl Bleibtreu
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Newtons Lichtkorpuskeln stellt man beiseite für Huygens'
Ätherwellen im Strahl, doch beides bleibt relativ.
    So ist auch Newtonsche Farbendeutung als Lichtschwingungsdauer zwecklos außerhalb des menschlichen Augenmaßes,
das bei einiger Veränderung überhaupt keine Farben unterscheiden würde. Der Blinde hat bei Musik koloristische
Reize, der Taubgeborene musikalische bei Farbenanschauen, ein Beweis für die psychische Einheit sogar der Sinnesorgane.
Überall tastet die Wissenschaft nur an gedeuteten Scheinobjekten herum, das Grundwesen entzieht sich ihr, ihre
Errungenschaften gleichen den von Kant so geliebten Reisebeschreibungen. Wir erfahren irgendein Was von Einzelheiten, deren
Allerlei wir nur durch Verständnis des Ganzen begreifen könnten, also nie ein wirkliches Wie, noch weniger ein
Warum. Mechanik oder Dynamik sind nur Teileindrücke der nämlichen Weltbewegung, Bewegung und Ruhe aber sind auch
nur eins (»der fliegende Pfeil ruht« der Eleaten), das in sich beruhende Sein (Plato) und das gleichzeitige ewige
Werden (Heraklit) sind beide nur Funktionen des unabänderlichen Gleichen, die aufgespeicherte Arbeitskraftsumme des Alls
vermehrt und vermindert sich nie (Helmholtz). Jede logische Physik mündet in Metaphysik; gegen den blöden
»Despotismus des Empirismus« und »anarchischen Unfug« (Kant) sowohl der Theologen als der Sophisten
gibt es nur »Transzendentalphilosophie«. Auch der Evolutionsbegriff kann nur transzendental gedacht werden, in
der Materie gibt es nur Transformation, da die »untersten« Einzeller genau so vielseitig gebaut sind wie die
»obersten« Vielzeller. Der komplizierte Assoziationsbegriff des Ich, dieser Wahlpräsident einer
Zellenrepublik, verschwindet sofort bei Auflösung des Zellenbaus. Also könnte Transformation der Seelenmonade auch
bei der Wiedergeburt nur das alte Spiel eines Zellen-Ich beginnen, wenn wir nicht, denkerisch und sogar
»wissenschaftlich« beweisbar, unter dem Ichbewußtsein das Unbewußte als Tatsache entdeckt
hätten. In diesem wurzelt nach indischer Urweisheit das transzendentale Ego, das ewig Unzerstörbare. In seiner
unsterblichen Selbstveranschaulichung in Wiedergeburten kann eine transzendentale Evolution obwalten, in welcher die
Seelenmonade ihre Erfahrungen im Leiden beherzigt und ihre Irrtümer berichtigt, bis die Karmaschuld des Ichwahns
ausgetilgt und Faustens unsterblich Teil sich ins Allgefühl (Nirvana) löst. Alles Vergängliche ist nur ein
Gleichnis ... des Gleichen, die »ewige Wiederkehr des Gleichen« innerhalb der Materialisierung wird aus dem
Unzulänglichen des Allzumenschlichen zuletzt Ereignis, »das Heil ist gefunden, die (wahre) Unsterblichkeit
gewonnen« (Buddha).
     

 
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    Wer die Vererbungstheorie von Mädel bis Bateson richtig kennt, weiß, daß jeder ehrliche Forscher sich
bescheiden muß vor Unbegreiflichem bei Zellenuntersuchung. Gewisse Formen werden ständig übermittelt, das
allgemeine Wesen der Materiezeugung jedoch, wo es wie eine Gasmaschine in chemischem Wirbel brodelt, als intermolekulare
Beziehung der Atome, unterliegt notwendig der Veränderlichkeit. Denn die chemische Substanz ist abhängig von
Temperatur und Konzentrierung des Augenblicks, weshalb beim menschlichen Zeugungsakt der momentane psychische Zustand von
besonderer Wichtigkeit. Chemische Einheiten könnten sich durch steten Zufluß von Stoff und Energie selber
behaupten, doch nur in einem Durchschnittsstand, der nicht zur Verwandlung führt. Variation ist Störung der
genetischen Symmetrie, doch sie wird nicht nur durch Kreuzung ungleicher Keimzellen, sondern erstaunlicherweise auch durch
längere Abwesenheit solcher Kreuzung veranlaßt. Die Dauerhaftigkeit des Vererbungstyps, der Form, wird
nämlich geschwächt durch herabgestimmte Vitalität, so daß gerade Inzucht individuelle und
Rassenabnormität verursacht. Menschliche Logik wird also auch hier genasführt. Was man Vererbungsgesetz nennt, ist
etwas rein Formales, ohne das Ding-an-sich von Zeugung und Vererbung zu erraten.
    Denn der durch Woodsworths Paramözia-Experimente belegten Tatsache, daß Herabstimmung der Vitalität die
Vererbungsstetigkeit aufhebt, steht die andere gegenüber, daß die größte Abnormität, nämlich
die unvererbte Erscheinung des unvererbbaren Genies, gewiß nicht durch Sinken der Vitalität, aber auch nicht durch
deren abnorme Steigerung eintritt. Mit Ausnahme des illegitimen Leonardo (Sohn einer Dienstmagd mit erbärmlichen
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