Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Attentaeter von Brooklyn

Der Attentaeter von Brooklyn

Titel: Der Attentaeter von Brooklyn
Autoren: Matt Beynon Rees
Vom Netzwerk:
Brücken und hohe Gebäude, die Ihnen an New York gefallen?«
    »Die Araber in diesem Viertel, in Bay Ridge, sind zumeist Palästinenser. In Richtung Manhattan findet man dann die Atlantic Avenue, wo viele Jemeniter leben. In Queens haben wir die Marokkaner. Wer von denen genug Geld verdient hat, überquert die Brücke nach Staten Island und kauft sich da ein schönes großes Haus.« Hamsa drehte sich um und deutete mit dem Arm die Avenue herunter. »Früher war Bay Ridge norwegisch und irisch geprägt, bis vor ungefähr zehn Jahren. Dann kamen unsere Leute, und bald verwandelte es sich in Little Palestine. Schließlich werden auch alle Palästinenser wohlhabend sein und über die Brücke abwandern. Dann wird dieses Viertel von einer anderen, ärmeren Immigrantengruppe übernommen werden. Little Palestine ist dazu verdammt, jung zu sterben.« Er sah Omar Jussuf eindringlich an und hob den Zeigefinger. »Aber im großen Palästina wird man dann immer noch in den gleichen dreckigen Flüchtlingslagern hausen. Zu Hause gibt es keine Alternative, keinen Aufstieg. Deshalb gefällt es mir hier besser.«
    »Leider haben Ihre Kollegen meinen Sohn nicht über die Brücke zum Wohlstand gebracht. Sie sind in die andere Richtung gefahren.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Onkel. Auf dem Revier ist er in Sicherheit. Meine Kollegin Sergeantin Raghavan gehört nicht zu jenen Amerikanern, die den Arabern jede Schandtat zutrauen.«
    »Was ist mit Ihnen? Sind Sie ›einer jener Amerikaner‹?«
    »Wenn Sie glauben, dass ich zu Ihrem Sohn streng war, weil er Araber ist, irren Sie sich.«
    »Sind Sie zu allen streng?«
    »Ich bin einfach nur streng.«
    »Sie glauben doch nicht wirklich, dass Ala den Jungen da oben ermordet hat, oder?«
    »Ein paar Blocks weiter unten gibt’s eine Snackbar, die einem Burschen aus Beit Hanina gehört«, sagte Hamsa. »Kommen Sie mit und lassen sich von mir zum besten Sfiha in ganz Brooklyn einladen.«
    Er fasste Omar Jussuf am Ellbogen. Der Lehrer warf einen letzten Blick in die Richtung, in die der Polizeiwagen verschwunden war, flüsterte den Namen seines Sohnes und ließ sich dann weiterziehen.
    Als sie die Avenue entlanggingen, kamen sie an einem Basketballfeld vorbei, das von einem Maschendrahtzaun umgeben war. In einer Ecke spielten moslemische Mädchen Handball gegen eine hohe graue Mauer. Sie hatten sich ihre schwarzen Mendils fest um die Köpfe gewickelt und die Säume in die Kragen gestopft.
    »Selbst wenn ein Mädchen nicht religiös wäre, würde es sich hier wegen der Kälte den Kopf bedecken«, sagte Omar Jussuf.
    »Wenn der Sommer kommt und sie zu schwitzen anfangen, können sie gar nicht schnell genug nach Hause kommen, um die Kopftücher abzunehmen.« Hamsa winkte einem der Mädchen zu, das seinen Gruß mit einem Luftkuss erwiderte. »Meine Tochter«, sagte er.
    »Wohnen Sie hier? Haben Sie noch nicht die Reise über die Brücke in ein größeres Haus angetreten?«
    »Vermutlich aus dem gleichen Grund, aus dem Sie nicht aus dem Flüchtlingslager ausgezogen sind, obwohl Sie nicht wie ein armer Mann gekleidet sind. Ich lebe gern da, wo man mich kennt.«
    Omar Jussuf fiel der gleichmäßige Schritt des Polizisten auf. Der Mann sah schwer aus, hatte Schultern, die kraftvoll in einen massigen Rücken übergingen, aber er bewegte sich leicht auf seinen Fußballen. Sein Körper wie auch seine Gesichtszüge ähnelten dem gefährlichen Verwandten, mit dem Omar Jussuf damals in Bethlehem aneinandergeraten war.
    »Ihr Onkel Hussein war nicht so schlecht, wie ich anfangs geglaubt habe, Hamsa«, sagte er vorsichtig und behielt das Gesicht des Polizisten im Auge. »Aber unter seinem Kommando haben die Märtyrerbrigaden in Bethlehem schreckliche Dinge angerichtet.«
    »Glauben Sie, dass der gleiche Mensch aus ihm geworden wäre, wenn er nicht in die Gewalttätigkeit Bethlehems hineingeboren worden wäre?« Der Polizist drehte sich um und sah zu, wie seine Tochter den Sieg beim Handball feierte und zu ihrem Mantel lief.
    Omar Jussuf dachte daran, wie Hussein mit seiner schweren Maschinenpistole auf der Hüfte durch Bethlehem stolziert war. Ich bin mir ziemlich sicher, dass aus ihm überall ein Gangster geworden wäre , dachte er. Nur dass Bethlehem ihm bessere Möglichkeiten geboten hat. Er erinnerte sich an die Gesetzlosigkeit der Intifada, die Schlägereien, Erpressungen und Morde, und er fragte sich, wie viel von der Rücksichtslosigkeit, mit der Hussein seine Bande geführt hatte, wohl in Hamsas
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher