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Der Attentaeter von Brooklyn

Der Attentaeter von Brooklyn

Titel: Der Attentaeter von Brooklyn
Autoren: Matt Beynon Rees
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für einen Moment verzweifelt und kindlich. »Das kann ich einfach nicht, Papa.«
    »Ihr Papa fragt Sie ja nicht danach«, sagte Hamsa. »Wenn Sie mir kein Alibi geben können, müssen wir Sie einbuchten.«
    »Sie können ihn doch nicht verhaften«, stammelte Omar Jussuf.
    »Beruhigen Sie sich, Ustas Abu Ramis. Wir sind hier nicht in Palästina. Wenn Ihr Sohn mit mir aufs Revier kommen muss, wird er über alle Rechte verfügen können, die ihm zustehen.«
    »Aber er ist unschuldig.«
    »Er ist schuldig, etwas zu verschweigen, und ich wüsste gern, worum es sich handelt.«
    »Ala, sag ihm, wo du warst. Es ist ernst.«
    Ala verschränkte die Hände, aber Omar Jussuf sah, dass sie zitterten.
    »Du sagst aber Mama doch nichts davon, nicht wahr?«, fragte der junge Mann.

Kapitel
4
    Ein Polizist legte Ala die Hand auf den Kopf und schob ihn in den Streifenwagen. Als er die Hand wegnahm, fielen dem Jungen die Locken über die Augen. Omar Jussuf trat vor, um ihm die Haare aus der Stirn zu streichen, aber der Polizist warf die Wagentür zu. Als der Wagen um die Ecke zur Bay Ridge Avenue bog, zitterte Omar Jussuf.
    »Sie werden eine wärmere Jacke brauchen, wenn Sie durch die Straßen New Yorks laufen, Onkel.« Hamsa stellte sich neben Omar Jussuf und stopfte seine großen Hände in die Taschen seines blauen Parkas. »Es ist kälter als der Esel eines Wasserträgers, wie man bei uns zu Hause sagt.«
    Omar Jussuf wollte dem Polizisten erklären, dass sein Zittern seinem Sohn galt, aber ein scharfer, eisiger Windstoß ließ ihn verstummen. Seine Hände bebten, als er versuchte, den Reißverschluss seiner Windjacke zu schließen. »Ich komme mit aufs Polizeirevier«, sagte er. »Ich brauche keine Jacke.«
    »Keine gute Idee. Sie werden Ihren Sohn eine ganze Weile nicht sehen können, es sei denn, er überlegt es sich anders und entschließt sich zu reden.«
    »Ich werde warten.«
    »Selbst wenn er nicht der Täter ist –«
    »Das ist doch lächerlich. Natürlich ist er es nicht.«
    »– verschweigt er etwas. Der Mörder weiß das vielleicht und will ihn aus dem Weg räumen, falls Ihr Junge sich entschließt zu plaudern. Könnte sein, dass er in Schutzhaft sicherer ist als hier draußen. Vielleicht hält er deswegen den Mund.«
    Omar Jussuf fuhr herum, als ob der Mörder hinter einem der kahlen Winterbäume lauerte. Ihn schauderte.
    Hamsa blickte nach Süden, in die Gegenrichtung, in der der Streifenwagen verschwunden war. »Dies ist nicht das magische, aufregende New York, das man im Kino sieht«, sagte er. »Dies ist nur ein ruhiges Viertel in Brooklyn. Aber sogar hier gibt es eine Menge erstaunlicher Dinge, Onkel – Dinge, von denen wir zu Hause in Palästina nicht einmal träumen würden.«
    Omar Jussuf schloss die Augen, atmete tief durch und versuchte, das Zittern seiner eiskalten Hände zu unterdrücken. Er gibt mir die Chance, ohne Peinlichkeit am Reißverschluss meiner Jacke herumzufummeln. Er spricht mich jetzt auch mit Onkel statt mit dem förmlicheren Ustas an. Er will irgendeine Information aus mir herauskitzeln. Vielleicht kann ich ihn von der Idee abbringen, dass Ala etwas mit dieser Sache zu tun hat. Vielleicht nützt das meinem Sohn mehr, als wenn ich in einem kalten Flur auf dem Revier warte. »Das Viertel wirkt auf mich ganz normal, aber ich lasse mich gern beeindrucken«, sagte er lächelnd.
    »Schauen Sie mal ganz bis ans Ende der Avenue, Onkel. Was sehen Sie da?« Hamsa streckte den Arm aus. Etwa zwei Meilen entfernt, hinter den Schildern der koreanischen Bodegas und arabischen Cafés, den italienischen Pizzerien und amerikanischen Eiscremeketten, erhoben sich die gewaltigen Pfeiler einer Hängebrücke. Mit der arroganten Symmetrie eines Wolkenkratzers in Manhattan ragten die grauen Türme empor. »Das ist die Verezano-Sundbrücke.«
    »Sie ist so groß, dass sie fast furchterregend wirkt.« Endlich gelang es Omar Jussuf, den Reißverschluss seiner Windjacke bis zum Kinn hochzuziehen.
    »Die Ingenieure mussten bei der Konstruktion die Krümmung der Erdoberfläche berücksichtigen, weil sie so massiv ist. Bei den jahreszeitlichen Temperaturschwankungen dehnt sie sich aus und zieht sich wieder zusammen, sodass die Fahrbahn im Sommer drei Meter tiefer hängt als im Winter.« Hamsa schüttelte vor Bewunderung den Kopf. »Denken Sie nur. Können Sie sich vorstellen, dass unsere Leute in der arabischen Welt etwas Derartiges bauen würden? Das ist schon ein erstaunlicher Ort hier, Onkel.«
    »Sind es nur große
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