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Der Anruf kam nach Mitternacht

Der Anruf kam nach Mitternacht

Titel: Der Anruf kam nach Mitternacht
Autoren: Tess Gerritsen
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keine Eile. Ich bezweifle, dass er Ihnen in nächster Zeit durch die Lappen gehen wird.«
    »Und Sie?«, fragte Potter noch immer nichts ahnend. »Nachdem jetzt alles vorbei ist, werden Sie Ihre Deckung aufgeben?«
    Dance blies den Rauch vor sich hin. »Ich weiß noch nicht, was ich tun werde«, antwortete er, und in seinen Augen stand Traurigkeit. »Eve war das Einzige, was für mich Bedeutung hatte. Und ich habe sie verloren.«
    »Da ist immer noch Sarah.«
    Dance schüttelte den Kopf. »Ich habe ihr genug Qualen verursacht.« Er wandte sich ab und sah wieder aus dem Fenster. »Ihr ballistischer Bericht wird feststellen, dass Magus nicht von einer Kugel aus seinem Gewehr getötet wurde, sondern von einem aus der Entfernung abgegebenen Schuss. Versprechen Sie mir, dass Sarah von diesem Umstand nie etwas erfahren wird.«
    »Wenn Sie das möchten.«
    »Ich möchte es so.«
    »Sie wollen sich wirklich nicht einmal von ihr verabschieden?«
    »Es ist besser, wenn ich es unterlasse.« Dance sah auf die Straße. Das letzte Polizeifahrzeug fuhr soeben ab. Die Neugierigen hatten sich zerstreut. »Mr. O’Hara scheint ein guter Mensch zu sein«, sagte er leise. »Ich glaube, die beiden werden glücklich miteinander sein.«
    Potter nickte. Ja, das musste er schließlich auch zugeben – Nick O’Hara war nicht der Schlechteste. »Sagen Sie, Dance, haben Sie Sarah je geliebt?«
    Dance schüttelte den Kopf. »In unserem Geschäft ist Liebe immer ein Fehler. Nein, ich habe sie nie geliebt. Aber ich wollte ihr auch keinen Schaden zufügen.« Er sah Potter herausfordernd an. »Beim nächsten Mal sollten Sie den Einsatz von Unschuldigen vermeiden. Wir machen der Welt schon genügend Unannehmlichkeiten, als dass wir auch noch Unschuldige in unsere Angelegenheiten verwickeln sollten.«
    Plötzlich fühlte Potter sich unwohl in seiner Haut. Das ganze Unternehmen war sein Einfall gewesen.
    »Ich glaube, es ist Zeit, dass ich jetzt gehe«, meinte Dance und drückte seine Zigarette aus. »Ich habe noch viel zu tun.«
    »Werden Sie in die Staaten zurückkehren? Wenn ja, werde ich alle Hebel in Bewegung setzen, um Ihnen eine neue Identität zu verschaffen …«
    »Das wird nicht notwendig sein. Ich bin allein immer besser klargekommen.«
    Dagegen konnte Potter nichts einwenden.
    »Ich glaube, ich werde mir als Erstes einen Klimawechsel gestatten«, sagte Dance und ging zur Tür. »Ich persönlich ziehe sonnigere Temperaturen vor.«
    »Wie … wie kann ich Sie erreichen?«
    Dance blieb an der Tür stehen. Einen Augenblick lang schien er zu überlegen. Dann antwortete er lächelnd: »Gar nicht.«
    Es war schon Spätnachmittag. Sarah wachte auf. Als Erstes sah sie die weißen, sacht im Winde flatternden Vorhänge und die vielen Blumensträuße. Dann fiel ihr Blick auf Nick, der schlafend in einem Sessel neben ihrem Bett saß. Sein Hemd war zerknittert und fleckig, so als hätte er es seit Tagen nicht gewechselt, er hatte tiefe Ringe unter den Augen, und doch lächelte er im Traum.
    Sie berührte seine Hand. Ruckartig schrak er aus dem Schlaf hoch und sah sie mit rot geränderten Augen an.
    »Sarah«, flüsterte er.
    »Mein armer, armer Nick. Ich glaube, du hast dies Bett mehr nötig als ich.«
    »Wie fühlst du dich?«
    »Seltsam. Aber sicher.«
    »Du bist in Sicherheit, Sarah.« Er ergriff ihre Hand mit beiden Händen. »Du bist wirklich in Sicherheit.«
    Sarah warf einen Blick auf den Tisch. »Oh, diese wunderschönen Blumen!«
    »Ich glaube, ich habe etwas übertrieben«, gestand er lächelnd.
    Sie mussten beide lachen, doch das Lachen erstarb bald. Beide spürten noch die letzten Ängste in sich. Zu viel war ja auch geschehen. Stumm sah Nick ihr in die Augen und wartete.
    »Ich habe ihn gesehen«, sagte sie leise. »Ich weiß es genau.«
    »Es ist unwichtig, Sarah …«
    »Aber für mich ist es wichtig. Ob er wirklich da war oder ob ich es mir nur eingebildet habe – ich habe ihn gesehen …« Sie lehnte sich in die Kissen zurück und starrte an die Decke. »Und ich werde mich immer fragen, was wirklich war.«
    Er zog ihre Hand an seine Lippen. Plötzlich fühlte Sarah eine große Zärtlichkeit für Nick, der so mitgenommen, müde und zerschlagen neben ihr saß. Als er den Kopf hob, sah sie in seinen grauen Augen eine Liebe, die sie in Geoffreys Blick nie entdeckt hatte.
    »Ich liebe dich, Nick«, flüsterte sie. »Vielleicht hast du Recht, vielleicht habe ich mir einen Augenblick lang etwas eingebildet.«
    »Er ist tot, Sarah. Es
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