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Der Anruf kam nach Mitternacht

Der Anruf kam nach Mitternacht

Titel: Der Anruf kam nach Mitternacht
Autoren: Tess Gerritsen
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er eine Flasche Methanol. Es würde schnell brennen und keine Spuren hinterlassen. Er schüttete den Alkohol über die Leiche, das Bett und den davorliegenden Teppich. Im Zimmer gab es weder einen Rauchmelder noch eine Sprinkleranlage. Aus diesem Grunde hatte Dance sich für dieses alte Hotel entschieden. Er stellte den Aschenbecher neben das Bett, suchte die Habseligkeiten des Toten zusammen und steckte sie, zusammen mit der leeren Methanolflasche, in eine Mülltüte. Dann setzte er das Bett in Brand.
    Zischend loderten die Flammen auf und hüllten Sekunden später die Leiche völlig ein. Dance wartete nur so lange, bis er sicher sein konnte, dass nichts Erkennbares übrig blieb.
    Er nahm die Mülltüte, verließ das Zimmer, schloss die Tür ab und ging den Korridor hinunter zum Feuermelder. Er wollte keine unschuldigen Menschen gefährden, schlug deshalb das Glas ein und betätigte den Alarmhebel. Dann eilte er die Treppe ins Erdgeschoss hinunter.
    Aus einer der Straße gegenüberliegenden Gasse sah er zu, wie die Flammen aus seinem Fenster schlugen. Das Hotel wurde geräumt, und die Straße war kurz darauf voller schläfriger, notdürftig in Decken gehüllter Leute. Innerhalb von zehn Minuten trafen drei Löschzüge ein. Zu dem Zeitpunkt war Dances Zimmer bereits ein loderndes Inferno.
    Es dauerte eine Stunde, bis das Feuer gelöscht war. Eine schaulustige Menge hatte sich zu den zitternden Hotelgästen gesellt, und Dance betrachtete ihre Gesichter, um sie sich einzuprägen. Falls er je wieder einem von ihnen begegnen sollte, wäre er gewarnt.
    Dann entdeckte er eine schwarze Limousine, die sich langsam einen Weg durch die Menschenmenge bahnte. Er erkannte den auf dem Rücksitz sitzenden Mann. Also auch der CIA war hier. Wie interessant!
    Er hatte genug gesehen. Es war schon spät, und er musste sich sofort auf den Weg machen, zurück nach Amsterdam.
    Drei Häuserblocks weiter warf er die Tüte mit der leeren Methanolflasche in einen Mülleimer. Damit hatte er sich auch des letzten Beweises entledigt. Er hatte getan, weshalb er nach Berlin gekommen war – er hatte Geoffrey Fontaine getötet. Jetzt war es an der Zeit, zu verschwinden. Leise vor sich hin pfeifend ging er in die Dunkelheit davon.
    * * *
    Amsterdam
    Der alte Mann wurde nachts um drei Uhr mit der Neuigkeit geweckt.
    »Geoffrey Fontaine ist tot.«
    »Wie?«, fragte der Alte.
    »Ein Hotelbrand. Man sagt, er habe im Bett geraucht.«
    »Ein Unfall? Unmöglich! Wo ist die Leiche?«
    »Im Berliner Leichenschauhaus. Stark verbrannt.«
    Natürlich, dachte der alte Mann. Man konnte sich denken, dass die Leiche bis zur Unkenntlichkeit verbrannt sein würde. Wie üblich hatte Simon Dance beim Verwischen seiner Spuren hervorragende Arbeit geleistet. Er war ihnen also wieder entwischt.
    Doch der Alte hatte noch einen Trumpf im Ärmel.
    »Du hast mir erzählt, seine Frau sei in Amerika«, sagte er. »Wo lebt sie?«
    »In Washington.«
    »Ich möchte, dass sie beschattet wird.«
    »Aber warum? Ich sagte dir doch gerade, der Mann ist tot.«
    »Er ist nicht tot. Er lebt, davon bin ich überzeugt. Und diese Frau könnte wissen, wo er ist. Behaltet sie im Auge.«
    »Ich werde meinen Leuten …«
    »Nein. Ich werde meinen eigenen Mann schicken. Jemanden, auf den ich mich verlassen kann.«
    Eine Pause trat ein. »Ich werde dir ihre Adresse beschaffen.«
    Nachdem er aufgelegt hatte, konnte der alte Mann nicht mehr einschlafen. Fünf Jahre hatte er nun gewartet. Fünf Jahre lang hatte er gesucht. Dann war er so kurz davor gewesen, und wieder war es schiefgegangen! Jetzt hing alles davon ab, was diese Frau in Washington wusste.
    Er musste sich in Geduld fassen und darauf warten, dass sie sich selbst verriet. Er würde Kronen schicken, einen Mann, der ihn noch nie im Stich gelassen hatte. Kronen hatte seine eigenen Methoden, sich Informationen zu verschaffen – Methoden, denen man schwer widerstehen konnte. Das war nämlich Kronens besondere Begabung – Überredungskraft.

1. KAPITEL
    Washington
    Mitternacht war schon vorbei, als das Telefon klingelte. Sarah hörte es in ihren Schlaf hineinläuten. Der Klang schien von unendlich weit her zu kommen, als sei es ein Wecker, der in einem anderen Zimmer zu schrillen begonnen hätte. Sie kämpfte mit sich, um munter zu werden, aber sie war in dem Zustand zwischen Tiefschlaf und Halberwachen gefangen. Sie musste ans Telefon gehen. Sie wusste, es war ihr Mann Geoffrey, der anrief.
    Sie hatte den ganzen Abend darauf gewartet, seine
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