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Der Anruf kam nach Mitternacht

Der Anruf kam nach Mitternacht

Titel: Der Anruf kam nach Mitternacht
Autoren: Tess Gerritsen
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Aufruhr. Die Verwirrung würde ihrer Flucht sicher dienlich sein.
    Um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, nahm sie einen Stuhl, zählte bis drei und ließ ihn gegen das Fenster krachen. Glas splitterte zu Boden.
    Schritte polterten die Treppe zu ihrem Raum hinauf und näherten sich ihrer Tür. In der Dunkelheit umklammerte Sarah die Lehne des Stuhles und spannte mit der anderen den Strick in dem Augenblick, als der Riegel zurückgeschoben und die Tür aufgestoßen wurde.
    Der Mann stolperte heftig und riss ihr im Fallen das Seilende aus der Hand. Etwas schlitterte über den Boden. Der Mann kroch auf die Knie und wollte sich aufrichten. Sofort schwang Sarah den Stuhl und ließ ihn krachend auf den Kopf des Mannes sausen. Der dumpfe Schlag ließ sie entsetzt den Stuhl fallen lassen.
    Der Mann bewegte sich nicht mehr. Als sie hastig seine Taschen durchsuchte, fing er jedoch zu stöhnen an. Wenigstens lebte er noch. Da sie keine Waffe finden konnte, richtete sie sich schnell wieder auf und hastete aus dem Raum. Von außen schob sie den Riegel vor, rannte durch das angrenzende Büro auf die Treppe zu. Doch schon nach wenigen Stufen blieb sie wie angewurzelt stehen. Von unten drangen Stimmen zu ihr herauf, die immer näher kamen. Der Fluchtweg war ihr abgeschnitten.
    Sarah hetzte in das Büro zurück, machte die Tür zu und legte den Riegel vor. Doch diese Tür war nicht aus massivem Holz und würde einen Eindringling nur einen Moment aufhalten. Sie musste sich eine neue Fluchtmöglichkeit suchen.
    Über dem Schreibtisch in der schrägen Wand befand sich ein Fenster. Sarah kletterte auf den Tisch und versuchte verzweifelt, es aufzuschieben. Der Haltegriff bewegte sich nicht. Erst in diesem Moment entdeckte sie, dass man das Fenster aus Sicherheitsgründen vernagelt hatte.
    Sarah hielt sich am Fenstergriff fest, zog einen Schuh aus und schlug mehrmals mit aller Kraft gegen die Scheibe. Beim vierten Mal splitterte das Glas und fiel heraus. Sie entfernte die letzten Scherben und steckte den Kopf durch den Rahmen.
    Kalte Nachtluft schlug ihr entgegen. Unter ihr fiel das Ziegeldach steil in die finstere Tiefe. Wohin mochte es dort gehen? Sie würde es wohl erst beim Hinunterfallen wissen …
    Die Ziegel würden bestimmt rutschig sein. Sarah zog den Kopf durch das Giebelfenster zurück und streifte ihre Schuhe ab. Entsetzt blickte sie auf das Blut, das von ihrem Knöchel rann.
    Aus dem angrenzenden Raum tönte das Stöhnen des Mannes, den sie niedergeschlagen hatte. Im selben Augenblick hatten die Schritte ihre Tür erreicht, und Kronen hämmerte wütend dagegen.
    Höchste Eile war geboten.
    Sarah stemmte sich mit aufgestützten Händen durch das Fenster und zog ein Bein nach draußen auf den Sims. Dann hielt sie sich zitternd am Rahmen fest und trat mit dem anderen Bein hinterher. In der Hast blieb ihr Kleid an einer Glasscherbe hängen, mit einem ärgerlichen Ruck riss sie es frei. Den Bruchteil einer Sekunde stand sie schwankend auf dem Sims und versuchte, sich auf den First hinaufzuziehen. Aber das Dach war zu steil und die Regenrinne zu weit entfernt. Sie saß in der Falle.
    Hinter ihr zerbarst die Tür des Büros mit einem schrecklichen Krachen, und Kronens wütender Ausruf drang zu ihr hinauf. Sarah schloss die Augen und ließ sich fallen.
    Sie landete auf einem Dach, das wenige Schritte unter ihr war, und schob sich hilflos über die Ziegel. Es gab nichts, woran sie sich hätte festhalten können, nichts, das ihren Sturz aufhielt. Die Ziegel waren feucht, sie glitten ihr unter den Halt suchenden Fingern weg. Ihre Beine baumelten über eine Kante. Sekundenlang hielt sie sich an einer Regenrinne fest. Dann vermochten ihre tauben Hände sie nicht mehr länger zu halten, und sie rutschte von der Regenrinne ab.
    Haltlos fiel sie in die tiefe, schwere Nacht.

14. KAPITEL
    »Machen Sie endlich, dass Sie in das Bett kommen, O’Hara!«, schimpfte Potter.
    Nick ging ruhelos in seinem Krankenzimmer hin und her.
    »Sie können hier nicht heraus – Sie haben zu viel Blut verloren. Warum legen Sie sich nicht endlich hin und lassen mich die Sache erledigen?«
    Nick wandte sich wütend zu ihm um. »So, wie Sie das bisher getan haben?«
    »Und wie zum Teufel wollen Sie ihr da draußen nützlich sein? Das würde ich zu gerne wissen«, versetzte Potter spöttisch.
    Nick sah zur Seite. Plötzlich spürte er nur noch Niedergeschlagenheit. »Ich hatte sie, Roy! Ich hielt sie in meinen Armen …«
    »Wir werden sie finden.«
    »So, wie
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