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Der amerikanische Buergerkrieg

Der amerikanische Buergerkrieg

Titel: Der amerikanische Buergerkrieg
Autoren: Michael Hochgeschwender
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härter zu bestrafen. Insgesamt waren sie spürbar von den Konzepten der radikalen Republikaner abhängig.
    Dies änderte sich im Verlauf der 1880er Jahre, als sich die GAR schrittweise demokratischen Veteranen öffnete. Nun wurde ihre Erinnerungspolitik konziliatorischer und nationaler. Mit dem
Memorial Day
schuf sie einen Tag des Gedenkens an die gefallenen Soldaten beider Bürgerkriegsarmeen. Fast gleichzeitig startete sie, gemeinsam mit der Massenpresse, eine Kampagne zur nationalen Integration neuer Migranten, indem sie den Kult um die amerikanische Nationalfahne und den schulischen Fahneneid beförderte. Jetzt erst, in den 1880er und 1890er Jahren, wurde vor dem Hintergrund des Gedenkens an den Bürgerkrieg die Nation zum Thema. Jedes Posthaus, jede Schule, jedes Klassenzimmer, jede Kirche sollte künftig mit dem Sternenbanner geschmückt werden, jeder Schüler jeden Tag den Eid auf diese Fahne sprechen. Allerdings weigerten sich die Angehörigen der GAR lange, dem Süden allzusehr entgegenzukommen. So sprachensie sich noch Ende der 1890er Jahre dagegen aus, die eroberten konföderierten Fahnen an die Südstaaten zurückzugeben, und bis etwa 1905 hielten sie daran fest, auch bei feierlichen Anlässen im segregierten Süden gemeinsam mit schwarzen Veteranen aufzutreten. Doch dann wurde auch die GAR von dem Prozeß nationaler Wiederversöhnung unter rassistischen Auspizien überrollt. Als sich im Jahr 1913 die Überlebenden der Schlacht von Gettysburg auf dem Schlachtfeld von einst trafen, um der Toten zu gedenken und sich im Geiste nationaler Aussöhnung über den Schützengräben die Hand zu reichen, standen sich Tausende von Veteranen in Blau und Grau gegenüber. Aber alle waren weiß. Die schwarzen Veteranen mußten ein paar Meilen entfernt, von der Presse unbeachtet, ihre eigene kleine Feier abhalten. Diesmal hatte die GAR nicht mehr gegen den Akt offener Benachteiligung der Kameraden von einst protestiert.
    Die Entwicklung zur nationalen und rassistischen Rekonziliation hatte in den 1880er Jahren eingesetzt. Damals erinnerte man sich der Gesten wechselseitiger Anerkennung von Grant und Lee in Appomatox Court House. Zusätzlich sorgte die humanitäre Hilfe des Nordens während eines Cholera-Ausbruchs 1884/85 für eine Stimmung der Dankbarkeit im Süden. Selbst der «Poet der Konföderation», der katholische Priester Abram Ryan, verfaßte eine Dankeshymne an den Norden, in der er die nationale Gemeinsamkeit von Erbe und Werthaltungen besang. Verstärkt wurden diese Emotionen im Umfeld des Krieges von 1898, als erstmals wieder, zumindest jenseits der Indianerkriege, Soldaten aus Nord und Süd für das gemeinsame Interesse der Nation ins Feld zogen. Dabei wurde selbst die Farbe der Uniformen, die jetzt braun und nicht mehr blau waren, als praktischer Ausdruck der nationalen Versöhnung gefeiert. Man beschwor die historischen Gemeinsamkeiten und reduzierte den Bürgerkrieg auf ein verfassungsrechtliches Mißverständnis. Die Sklavenfrage und die Emanzipation wurden in der Folge aus der nationalen Erinnerung herausgeschrieben, während man umgekehrt die Tapferkeit, Opferbereitschaft und vor allem die Ehrenhaftigkeit der Soldaten beider Bürgerkriegsparteien herausstrich. Der Bürgerkrieg war weniger
lost cause
als vielmehr
noble cause
derweißen, angelsächsischen Blutsgemeinschaft, auf welcher die amerikanische Nation nach diesem Verständnis ruhte. Der
Memorial Day
, die Unionsfahne, aber auch die Fahne der Konföderation wurden zu gemeinsamen Ritualen und Symbolen des neuen amerikanischen Nationalstaats. Und schließlich entwickelte sich Abraham Lincoln zu dessen zivilreligiösem Schutzpatron, der selbst im Süden – aller emanzipatorischen Inhalte entblößt – anerkannt und verehrt werden konnte. Die USA konnten sich auf diese Weise dem Neuen zuwenden, und tatsächlich wurde das Konzept des Neuen ausgerechnet in jenen Jahren um 1910 bis 1920 von der Werbeindustrie, aber auch von der Politik instrumentalisiert. Nicht der rückwärtsgewandte Blick, sondern die Wende zum Hochimperialismus, zur progressiv-liberalen Sozialreform, zu Massenproduktion und Massenkonsum wurde als vorbildlich propagiert. Die Geschichte verschwand demgegenüber hinter den Nebelschwaden süßlicher Stereotype, mythischer Konstrukte und kommerzieller Klischees.
    Insbesondere die Populärkultur nahm sich dieser spezifisch rekonziliatorischen Mythen an. Im Jahre 1910 erschien Thomas Dixons einflußreiches Buch
The Clansman
, das den in
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