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Der amerikanische Buergerkrieg

Der amerikanische Buergerkrieg

Titel: Der amerikanische Buergerkrieg
Autoren: Michael Hochgeschwender
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Karibik zehrte.
    Die kollektive Erinnerung der weißen Südstaatler sah demgegenüber ganz anders aus. Gerade in der Frühzeit, bis weit in die 1880er Jahre hinein, war sie von Trauer, Schock und Trotz bestimmt. Hier wurde die Idee des
lost cause
, der verlorenen Sache, in den Mittelpunkt gestellt. Der Begriff des
cause
war als Projektionsfläche geradezu ideal, weil er vollkommen leer war und mit allem gefüllt werden konnte, dessen man jeweils bedurfte. Für die «Sache» waren die Helden des
War between the States
, des
War of Southern Independance
oder des
War of Northern Aggression
, wie der Bürgerkrieg im Süden je nach politischem Standort bezeichnet wurde, gestorben, für sie hatten sie gelitten und gekämpft. Tapfer waren sie lediglich einer drückend überlegenen Streitmacht gewichen und hatten sich dabei als wahre Männer und aristokratische Kavaliere erwiesen. Immerhin wurde den Nordstaatlern zugestanden, daß auch sie ordentlich gekämpft hätten, denn dies erhöhte im Umkehrschluß denStellenwert des eigenen Mutes. Zum
lost cause
zählte allerdings ebenfalls eine Reinterpretation der Vorgeschichte des Krieges und der Antebellumära. Der Krieg, so das neue Narrativ, sei keinesfalls um der Sklaverei, sondern einzig um der Freiheit der Einzelstaaten willen geführt worden. Allein die Abolitionistenfanatiker hätten den Krieg ausgelöst, weil sie die Freiheit und Ehre des Südens beschmutzt und attackiert hätten. An dieser Stelle zeigte sich die Selektivität der Erinnerung, da sich die Gründe für die Sezession 1860/61 noch ganz anders angehört hatten. Auf der funktionalen Ebene bot diese Interpretation allerdings den Vorteil, im Norden bis zu einem gewissen Grade Anknüpfungspunkte zu haben, da viele Nordstaatendemokraten diese Position teilten. Sie erleichterte potentiell die Wiedereingliederung in die Union, solange die Einzelstaatenrechte gewährleistet wurden – die nun mit der weißen Vorherrschaft gekoppelt waren. Der Krieg war demnach nicht um ein moralisches Absolutum, sondern um eines lösbaren, beinahe marginalen verfassungsrechtlichen Konflikts wegen geführt worden. Das Problem Union oder Nation wurde dabei gar nicht erst thematisiert. Diese Sicht der Dinge sollte sich als ausgesprochen folgenreich erweisen. Zu diesem Konzept gehörte eine rigorose Umdeutung der Plantagenwirtschaft und der Sklaverei der Antebellumzeit. Der «Mondschein und Magnolien»-Mythos mit seinen stereotypisierten Rollenmustern und klischeehaften Bildern schloß an die Selbstsicht des Südens vor dem großen Krieg an. Junge, elegante Kavaliere mit ihren berückend schönen Begleiterinnen beim Zirpen der Grillen, Mint Julep trinkend in einer Mondscheinnacht unter dem hellen Vollmondhimmel
Old Dixies
; die Männer aristokratischer, die Frauen schöner als jemals in der Realität, all dies wurde das Markenzeichen des imaginierten Alten Südens. Dazu gehörten loyale, oft etwas debil lächelnde, kindlich-verspielte, glücklich singende Negersklaven, die sich im Hintergrund aufhielten. Es ist leicht, sich über diese sehnsuchtsvollen Phantasien lustig zu machen, aber man darf das soziale
setting
, das Szenario der totalen Niederlage und Frustration nicht vergessen, in deren Kontext sie sich formten und ihre Funktion hatten. Indem man die Härten undGrausamkeiten der Vorkriegszeit ausblendete, konnte man besser mit den erschwerten Lebensbedingungen der Nachkriegsära umgehen. Zu den wichtigsten institutionellen Trägern des
lost cause
-Konzepts gehörten die konföderierten Veteranenverbände, die
United Confederate Veterans
(UCV) und die
United Daughters of the Confederacy
(UDC). Letztere waren Frauen aus der Mittelklasse und der Großgrundbesitzerkaste, die an der Ausbildung des postkonföderierten Selbstbewußtseins ganz entscheidend beteiligt waren. In Louisiana zum Beispiel kontrollierten sie den
mardi gras
, den Fasching von New Orleans, wo nach 1870 über Jahrzehnte hinweg vor allem Frauen aus führenden konföderierten Familien wichtige Funktionen, wie die der
Queen of the Bogus
, innehatten. Die Namen Beauregard, Davis, Stephens oder Lee bürgten im gesamten Süden für Reputation und Respektabilität. Die bedeutende Funktion von Frauen verweist aber auf einen weiteren inhaltlichen Aspekt des
lost cause
. Der Mythos lebte von den ihm inhärenten Geschlechtervorstellungen. Der Schutz weißer Frauen hatte demnach die Antebellumordnung ebenso begründet, wie er nun die aktuelle Rassensegregation begründete. Mehr
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