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Der amerikanische Buergerkrieg

Der amerikanische Buergerkrieg

Titel: Der amerikanische Buergerkrieg
Autoren: Michael Hochgeschwender
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den 1870er Jahren untergegangenen Ku Klux Klan geradezu hemmungslos romantisierte und idealisierte. Der Regisseur D. W. Griffith machte daraus 1915 den ersten abendfüllenden, über dreistündigen Spielfilm der amerikanischen Kinogeschichte, einen Kassenschlager, von dem der aus den Südstaaten stammende liberal-reformistische Präsident Woodrow Wilson, von Beruf Historiker, bekundete, er gebe die Wirklichkeit genau so wieder, wie sie war. Buch und Film suggerierten dem Zuschauer exakt das Selbstbild des Südens. Demnach war die Rekonstruktion von vornherein ein von den Radikalen zu verantwortender Fehlschlag, Schwarze seien von Natur aus zu politischem Handeln unfähig, dafür aber von einer ungezügelten Sexualität besessen, und der Klan erschien als eine ritterliche Organisation zum Schutz der Ehre des Südens und seiner Frauen. Der Film trug maßgeblich dazu bei, daß der Ku Klux Klan 1915 wiedergegründet wurde, diesmal als hochkonservativ-viktorianische und bürgerliche Organisation, die weit über den Süden hinausstrahlte undetwa in Indiana und Illinois über Hochburgen verfügte. Der neue Klan war weniger gewalttätig als seine terroristische Vorgängerorganisation, zentralistischer und – als Franchiseunternehmen – kapitalistischer, aber weiterhin rassistisch, nationalistisch, antikatholisch, fremdenfeindlich und antisemitisch eingestellt. Um 1924 verfügte er über schätzungsweise zwei bis acht Millionen Mitglieder, gleichermaßen Republikaner wie Demokraten.
    Die von Dixon und Griffith reproduzierten Stereotype entfalteten eine große Wirkung. Obwohl moderater im Ton und ein wenig differenzierter, griff zum Beispiel Margaret Mitchell in ihrem Weltbestseller
Gone with the Wind
von 1936 ebenso darauf zurück wie der gleichnamige Film von 1939, der den deutschen Propagandaminister Joseph Goebbels dermaßen beeindruckte, daß er noch 1945 mit
Kolberg
ein vergleichbares Werk produzieren ließ. Und selbst die TV-Serie
North and South
aus den 1980er Jahren basierte auf diesen Vorgaben, obwohl sie einen nordstaatlichen Handlungsstrang mit teilweise positiv gezeichneten Abolitionisten einbaute. Das vom Süden und seiner Erinnerungskultur beherrschte rekonziliatorische Bild des Bürgerkriegs blieb lange dominant, wofür nicht nur die Populärkultur die Verantwortung trug. Auch in den Schulen, deren nationalintegrativer Auftrag, vor allem im Geschichtsunterricht, Patriotismus zu generieren, zum Teil bis in die Gegenwart hinein vorherrschend geblieben ist, wurde lebhaft daran gearbeitet, den Bürgerkrieg als eine Art Betriebsunfall der amerikanischen Erfolgsgeschichte darzustellen. Dies beinhaltete einerseits eine Relativierung der Sklavenfrage, andererseits aber eine mythische Darstellung Abraham Lincolns und des alten Südens. Selbst in der universitären Wissenschaft herrschte bis in die 1950er Jahre hinein unter dem Einfluß der Werke von Alexander Stephens, Ulrich B. Phillips und der konservativ-ruralistischen
Nashville Agrarians
diese Sicht der Dinge vor.
    Dabei war die rekonziliatorische Perspektive zu keiner Zeit unangefochten. Bereits die 1909 gegründete, von schwarzen Aktivisten und liberal-progressivistischen weißen Reformern gleichzeitig getragene
National Association for the Advancement of Colored People
(NAACP), gewissermaßen dieMutterorganisation der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, hatte sich von Beginn an gegen die Autorität eines Woodrow Wilson gestemmt, als sie 1915 darauf hinwies, daß das von
A Birth of a Nation
gezeichnete Bild des Südens, der Rekonstruktion und des Bürgerkriegs revisionsbedürftig sei. Ende der 1930er Jahre war die Bewegung dann so stark, daß die schlimmsten rassistischen Stellen des Films
Gone with the Wind
bereits vorab mit Blick auf das zahlende und selbstbewußter werdende schwarze Publikum entschärft werden mußten. Deutlich veränderte sich die Wahrnehmung des Bürgerkriegs und der Sklavenfrage jedoch erst unter dem dreifachen Einfluß von Zweitem Weltkrieg, Kaltem Krieg und anwachsender Bürgerrechtsbewegung in den 1950er und 1960er Jahren. Nach dem Kampf gegen den nationalsozialistischen Rassismus und inmitten des Systemkonflikts mit dem stalinistischen Totalitarismus erschien die «Negerfrage», wie es zeitgenössisch hieß, in einem anderen Licht als zuvor. Überdies wurde der Bürgerrechtskampf im Süden nun durch das neue mediale Instrument des Fernsehens ganz anders aufbereitet als zuvor. Die weiße Mittelklasse des Nordens und Westens sah
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