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Der amerikanische Buergerkrieg

Der amerikanische Buergerkrieg

Titel: Der amerikanische Buergerkrieg
Autoren: Michael Hochgeschwender
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noch, der Süden als Ganzes konnte als besiegte und deshalb schutzbedürftige Frau repräsentiert werden, womit stets der Appell an nordstaatliche ökonomische oder politische Hilfestellung bei der Durchsetzung der segregierten Gesellschaft verbunden war.
    Die Idee des
lost cause
hatte einen starken agrarisch-ländlichen und vergangenheitsorientierten Bezugsrahmen. Der Süden wurde als rural und plantagenwirtschaftlich konstruiert, was ja durchaus den Realitäten entsprach. Allerdings, so kohärent Inhalte und soziale Träger des Konzepts auch waren, so starr und wenig flexibel war es auch. Auf Dauer war das für jene Südstaatler, deren soziokulturelle Bezugspunkte und Referenzsystem nicht in der Vorkriegszeit lagen, schwer erträglich. Für jüngere, bürgerliche Geschäftsleute aus den wenigen Städten, aus Birmingham, Atlanta, Mobile oder Savannah – weniger aus dem strukturkonservativen Milieu von New Orleans mit seinen alle Fortschrittsideologie erstickenden kreolischen und angelsächsischen Familienklans – mußte der
lost cause
als eine Art rückwärtsgewandtesDauerjammern erscheinen, dem jedwede Dynamik abging. Sie propagierten darum seit den 1880er Jahren ein ganz anders geartetes Konzept, den
New South
, einen Süden der Rassenharmonie, der nationalen Versöhnung, der Urbanität und des technisch-industriellen Fortschritts. Der Erfinder dieses Konzepts war der Herausgeber der einflußreichen Zeitung
Atlanta Constitution
, Henry W. Grady. Popularisiert wurde es dann von dem Historiker Paul Gaston und vor allem von den lokalen Handelskammern im Süden, die bald zu Zentren einer liberalbürgerlichen Perspektive auf die Zukunft des Südens wurden. Allerdings wurden ihre Visionen erst unter den Bedingungen militärkeynesianischer Entwicklungspolitik im Zuge von Zweitem Weltkrieg und Kaltem Krieg langsam Realität, als sich dank massiver Investitionen der Bundesregierung Hochtechnologiebetriebe etwa aus der Rüstungsbranche ansiedelten. Die Idee des
New South
, die Grady kaum zufällig in Anwesenheit von Großinvestoren wie John P. Morgan in New York entwarf, belegt indes, wie eng nationale Versöhnung und eine bürgerlich-kapitalistische, liberale Perspektive im späten 19. Jahrhundert weltanschaulich verwoben sein konnten. Bis zu einem gewissen Grade bedeutet die Akzeptanz des
New South
aber eine noch selektivere Erinnerungspolitik als der
lost cause
-Gedanke, mehr noch: Der
New South
meinte im Extremfall den gänzlichen Verzicht auf Erinnerung und einen bewußten, völligen Neuanfang. Das aber war für eine Mehrheit der Südstaatler zu keinem Zeitpunkt akzeptabel.
    Die Erinnerungen im Norden waren weniger homogen und eher entlang von Parteilinien und ethnisch-konfessionellen sowie Klasseninteressen konstruiert. Aber sie griffen ebenso wie der
lost cause
auf das Stereotypenarsenal der Vorkriegs- und Kriegszeit zurück. Katholische Demokraten etwa erinnerten bevorzugt ihre aufopfernde Loyalität und Tapferkeit im Kampf um die Einheit der Union und stellten ansonsten das erfahrene Leid in den Vordergrund. Dies wurde von ihnen und anderen Demokraten stets mit einer Kritik an der angeblichen und immer noch anhaltenden Intransigenz der radikalen Republikaner verbunden. Mit der nationalen und kapitalistischen Semantik derRepublikaner konnten sie weiterhin wenig anfangen und forderten eher eine Rekonstruktion der alten Union mitsamt der alten Verfassung, nur ohne die Sklaverei, die bei ihnen kaum vorkam. Ganz anders verlief hingegen das Gedenken bei den Republikanern. Sie hatten allerdings auch den Vorteil, neben den weiterhin tätigen
Union Leagues
über eine weitere, als überparteilich getarnte Vorfeldorganisation zu verfügen, die sich, neben der Frage der Veteranenpensionen, ganz und gar dem Bürgerkriegsgedenken verschrieben hatte: die
Grand Army of the Republic
(GAR). Die GAR war wie die UCV eine äußerst aktive und für das Kriegsgedenken paradigmatische Veteranenorganisation. In
Camp Fire Meetings
, bei denen Veteranen von ihren Erlebnissen berichteten, hielt sie die Erinnerung an den Kampf lebendig, ohne ihn voreilig zu glorifizieren. Kritische Töne waren keine Seltenheit. Anders als bei den übrigen Veteranengruppen durften schwarze Unionssoldaten Mitglied der GAR werden, weswegen in ihrer Vergangenheitspolitik die Sklaverei und deren Abschaffung stark betont wurden. Gleichzeitig hielten die GAR-Mitglieder, im Gegensatz zu den konzilianteren demokratischen Veteranen, lange daran fest, den Süden
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