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Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Titel: Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte
Autoren: Noel Hardy
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umherflatternden Engeln, erkannte sie auf einmal das Gesicht eines weiteren Engels. Es war etwas dunkler als die Übrigen. Der Engel war der Einzige, der lächelte. Und das auf eine trotzige, fast etwas diabolische Weise.

    E mma betrachtete den Engel, an den sie sich gar nicht erinnerte. Jetzt war sie fast fertig. Noch einen oder zwei Tage im neuen Jahr, sobald das Gerüst wieder aufgebaut war, dann konnte sie die Arbeit abschließen. Ihr war auf einmal ganz leicht ums Herz. Sie verließ die Kirche und ging durch die Sakristei wieder ins Freie. Sie merkte gar nicht mehr, wie kalt die Nacht war. Auch auf die Eisglätte unter ihren Füßen achtete sie nicht.
    Ãœber den schneebedeckten Dächern stiegen immer mehr Raketen in den Himmel, und ringsumher heulte und knallte es in den Straßen. Auf dem Platz vor der Kirche standen kleine Gruppen von Feiernden.
    Ein Mann steuerte das Kirchenportal an, und eine Sekunde dachte Emma: Mark! Er ging so ähnlich, und die Statur erinnerte auch an ihn, aber er konnte es nicht sein. Nicht so schnell. Später vielleicht, irgendwann.
    Plötzlich zischte aus einer Seitengasse ein Feuerwerkskörper auf Emma zu. Erschrocken duckte sie sich. Als sie ausrutschte, dachte sie: Na klar! Wie in Zeitlupe verlor sie das Gleichgewicht. Wie in Zeitlupe stürzte sie. Und sie sah sich schon aufs Eis krachen, mit der Stirn zuerst. In Zeitlupe.
    Doch plötzlich hielt jemand sie fest, mit beiden Armen, und eine Stimme sagte: »Hoppla«, was nicht sehr intelligent war. Aber die Stimme klang angenehm, und der Mann, dem sie gehörte, sah auch angenehm aus – nein, mehr als nur angenehm. Und intelligent. Also dachte sie: Was soll’s, und sagte auch: »Hoppla.« Als sie wieder hochkam, störte es sie nicht einmal, dass er sie weiter festhielt.
    Â»Wer sind Sie denn?«, fragte sie dann aber doch noch.
    Â»Der neue Organist von Sankt Michael. Ich dachte, ich schau mir mal an, wo ich ab morgen arbeite. Und Sie?«
    Ãœber seiner Schulter sah sie eine Taube aus dem glitzernden, funkelnden Himmel herabflattern. Die Taube landete auf der Mauer hinter ihm und fing an, sich zu putzen. Da explodierte wieder ein Feuerwerkskörper ganz dicht neben ihnen. In der kurzen Helligkeit bemerkte Emma, dass der linke Flügel der Taube angesengt war, als wäre sie mit ihren Federn in eine Flamme geraten. Wie Murats Arm in der Kirche am Weihnachtsabend.
    Â»Ich?«, fragte Emma fröhlich. »Ich bin jemand, den Sie gerade aufgefangen haben.«
    ENDE
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