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Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Titel: Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte
Autoren: Noel Hardy
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Knall blieb aus. Immer wieder klickte der Hammer auf das Metall der Patrone, die nicht zünden wollte. Wütend schleuderte der Mann die Pistole nach dem Polizeiobermeister, sprang auf und verschwand im dichten Schneetreiben. Der Polizeiobermeister bückte sich, um die Pistole aufzuheben. Im selben Moment löste sich der Schuss. Funken sprühend schlug die Kugel eine Delle in den Kotflügel des Fiat Punto, bevor sie als Quer schläger davonsirrte und den fliehenden Einbrecher in den linken Oberschenkel traf, wovon zunächst nur ein unterdrückter Fluch kündete.
    Diese drei Vorfälle waren der Anfang einer Reihe unerklärlicher Ereignisse – manche sprachen sogar von Wundern –, die kurz vor Weihnachten begannen und sich zwischen Heiligabend und Silvester auf fast beunruhigende Weise häuften.
    In einer Parkbucht am Zubringer stieg ein von tiefem Kummer erfüllter Mann aus seinem rostzerfressenen Skoda und stapfte bedächtig über die Böschung zu der frisch geräumten Autobahn. Ruhig betrachtete er die vorbeirasenden Fahrzeuge, bis er einen Lastzug mit überhöhter Geschwindigkeit herandonnern sah. Als der Lastwagen nah genug war, sprang der Mann in den blendenden Lichtkegel der Scheinwerfer, um seinem Leben ein Ende zu setzen. Doch er rutschte auf der überfrierenden Nässe aus und fiel der Länge nach hin. Zugmaschine und Hän ger schlitterten über ihn hinweg, ohne dass er auch nur einen Kratzer davontrug.
    In der Kantine eines Pharmakonzerns trat der Leiter der Personalabteilung vor die überraschend zusammengerufene Belegschaft und verkündete, dass in Zukunft die einzige Rendite, die wirklich zähle, der Zuwachs an Humankapital sei. Das bedeute, keine betriebsbedingten Entlassungen oder Freistellungen mehr, Rücknahme aller in den letzten Wochen ausgesprochenen Kündigungen und für jeden Mitarbeiter ein dreizehntes Monatsgehalt, sogar für die Betriebsräte.
    Auf der internen Weihnachtsfeier der nur zwei Stra ßen weiter gelegenen Versicherung geschah ein weiteres Wunder: Der Firmencasanova aus dem Vertrieb wider stand selbst nach mehreren Tassen Punsch dem aufreizen den Locken des Partygirls der Abteilung, um stattdessen sein unwiderstehliches Lächeln voll aufrichtiger Zuneigung dem scheuen Mauerblümchen aus der Buchhaltung zu schenken, das ihn seit Jahren anhimmelte.
    Schon auf der Rolltreppe zu dem weihnachtlich schimmernden Spielzeugparadies des Kaufhauses beim Hauptbahnhof verwandelten sich die elfjährigen Zwillinge Ira und Patricia – zwei unablässig kreischende, launische, egoistische, verwöhnte Satansbraten aus dem Backofen des Teufels – zum fassungslosen Erstaunen ihrer Mutter in kleine Engel. Mit entzückendem Lächeln und glänzen den Augen schritten sie Hand in Hand die Gänge ent lang. Fröhlich erzählten sie sich gegenseitig ihre Wünsche. Die eine flüsterte der anderen sogar zu, dass es schöner sei, diese Wünsche zu hegen, als sie auf der Stelle erfüllt zu bekommen.
    Dieser ungewöhnliche Sinneswandel schien wie ein Virus auf die Mutter der Zwillinge überzugreifen. Kaum vom Chauffeur zu Hause abgesetzt, beschloss sie, sich von den meisten ihrer Haute-Couture-Stücke zu trennen und das Collier, das ihr am Morgen mit einem Kärtchen ihres Liebhabers vom teuersten Juwelier der Stadt zugestellt worden war, einer wohltätigen Organisation zu stiften. Brot für die Welt vielleicht, oder Misereor . Da nach trennte sie sich von besagtem Liebhaber per Telefon und entschied sich, ihren Mann zum ersten Mal seit Jah ren mit einem selbst zubereiteten Abendbrot zu über raschen.
    Der Liebhaber wiederum kreiste gerade, als er ihre Nachricht erhielt, im abendlichen Verkehrschaos auf Park platzsuche um seinen Häuserblock. Kapriziöse Luxus schlampe , dachte er gereizt. Wütend wie ein in die Are na geworfener Kampfhahn trat er das Gaspedal seines Lancias voll durch, als er bemerkte, dass genau gegenüber von seinem Haus ein Wagen aus einer Lücke scherte. Er hatte den frei gewordenen Parkplatz fast erreicht, da bog plötz lich eine schäbige Rostlaube von der Gegenfahrbahn auf seine Spur und fuhr ohne zu blinken vor ihm in die Lücke.
    Seine Faust sauste auf die Hupe hinab. Er bremste scharf, stieß die Tür auf und sprang hinaus in den Schneeregen, bereit, den Fahrer des VW-Käfers aus seinem Fahrzeug zu zerren und ihm sämtliche Knochen zu
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