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Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Titel: Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte
Autoren: Noel Hardy
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um festzustellen, dass es sich um eine Fälschung handelte. Handwerklich allerdings eine vorzüg liche Kopie. Auch die Expertisen und der Stammbaum des Bildes waren gefälscht.
    Der letzte Besitzer war ein ungarischer Baron gewesen, Béla von Salásy, ebenfalls Kunsthändler. Als Emma und ihr Vater ihn in seinem Geschäft aufgesucht hatten, um ihn um eine Stellungnahme zu bitten, hatte er sich verleugnen lassen. Einige Tage später hatten sie einen Brief von einer Anwaltskanzlei erhalten, die sie in Vertretung von Herrn von Salásy beschuldigte, den Ihnen überlassenen echten Cézanne selbst gegen die Fälschung ausge tauscht zu haben. Außerdem hatte die Kanzlei mit einer Strafanzeige wegen Verleumdung und Diebstahls gedroht. Emmas Vater antwortete mit einer Anzeige wegen Betrugs, Nötigung und falscher Anschuldigung.
    Beim folgenden Zivilprozess war Emmas Vater durch einen Anwalt vertreten worden, den sie ihm besorgt hatte: Julian Kant. Kant hatte den Fall übernommen und prompt verloren, denn er war der geborene Verlierer, was sonst. Er schaffte es, einen Vergleich auszuhandeln, der Em mas Vater fast ruiniert und seiner Reputation noch mehr geschadet hatte als seinem Bankkonto. Ihr Vater hatte ihr nie einen Vorwurf gemacht. Das brauchte er auch nicht.
    Sera sagte: »Ich weiß, er ist ein Loser, aber er war doch so billig, hast du das damals nicht gesagt? Ich will nur, dass er einem Typen einen Brief schreibt, der mich dauernd mit obszönen Anrufen belästigt.«
    Â»Ich dachte, solche Anrufe machen dir Spaß?«
    Â»Außerdem hat jemand meine Vespa geklaut, und ich glaube, das war derselbe Typ.«
    Â»Brauchst du die Nummer jetzt sofort? Ich habe sie bestimmt noch irgendwo, aber ich muss sie erst suchen.«
    Â»Nein, hat Zeit bis morgen. Sag mal, was hörst du da eigentlich für Musik?«
    Â»Gustav Mahler. Kindertotenlieder .«
    Sera schwieg ausreichend lange. Dann fragte sie nur: »Kommst du noch auf einen Sprung ins Nightcup, zum Anstoßen? Ich bin hier fertig und könnte in einer halben …«
    Â»Geht nicht«, unterbrach Emma sie. »Mein Vater hat morgen früh den Termin bei der Bank, und ich will dabei sein. Wenn er den Kredit nicht kriegt, muss er das Geschäft aufgeben. Das wäre, als würden sie ihm sein Leben wegnehmen. Er spricht seit Tagen kaum noch ein Wort, und ich habe Angst, dass er sich etwas antut. Er braucht jemanden, der für ihn die Verhandlungen übernimmt.«
    Â»Und du meinst wirklich, das solltest du sein?«, fragte Sera unschuldig.
    Emma schnitt eine Grimasse.
    Sera war ihre einzige Freundin. Sie hatten sich im Staats theater kennengelernt, als Emma gebeten worden war, die historische Genauigkeit eines Bühnenbilds für ein Ibsen-Stück zu überprüfen. In den Kulissen hinter der Bühne stand eine besonders schöne Jugendstil-Kommode, die eine Tänzerin des Opernballetts zur Verfügung gestellt hatte. Bei ihrer Untersuchung hatte eben diese junge Tänzerin Emma über die Schulter geschaut und gesagt: »Das ist meine, habe ich geerbt. Glaubst du, die bringt was, wenn man sie verkauft?«
    Â»Ein Vermögen«, hatte Emma geantwortet.
    Ein strahlendes Lächeln hatte das Gesicht der Tänze rin in sein Leuchten getaucht. »Ich bin Sera. Meine Mutter hat mich so getauft, weil sie während der Schwanger schaft immer das Lied von Doris Day gehört hat: ›Que sera‹. Kennst du bestimmt.« Sie hatte angefangen zu singen. »Que sera, sera – whatever will be, will be …«
    Â»The future’s not ours to see«, hatte Emma mitgesummt und gedacht, was für ein Glück, wer möchte schon meine Zukunft sehen? »Ich heiße Emma. Tanzt du in dem Ballett?«
    Sera hatte genickt. »Eigentlich wollte ich immer Table Dance in einem Nachtclub machen oder irgendwas, wo man sich beim Tanzen auszieht. Leider hat’s dafür nicht gereicht. Nur deswegen bin ich beim Staatsballett ge landet.«
    Sie waren übereingekommen, dass Emmas Vater die Kommode in Kommission nehmen sollte, sobald die Spiel zeit vorbei war. Inzwischen stand sie seit vier Jahren im Lager vom Auktionshaus Theodor Brahms, Antiquitäten und Kunsthandel seit 1879. Sera fragte: »Ist dieser Ungar immer noch drauf aus, deinen Vater aus dem Business zu drängen?«
    Â»Salásy? Mehr denn je. Seit er den Prozess damals praktisch gewonnen hat, ist seine Unverschämtheit
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