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Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte

Titel: Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte
Autoren: Noel Hardy
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die Versteigerung ge nü gend …«
    Â»Aber sie gehört dir nicht. Wenn du uns weitere Sicher heiten bringst, können wir über alles reden«, beharrte Schilfstengl ungerührt. Das Handy in Emmas Rucksack hörte endlich auf zu summen, aber ihr Herz raste weiter. »Warum sagen Sie nicht einfach, dass Sie uns nicht mehr vertrauen?«, schaltete sie sich ein. »Wenn Sie uns kaltstel len wollen, indem Sie unsere Geschäftsbeziehung auf diese Weise beenden, genügt es völlig …«
    Â»Fräulein Brahms, bitte!«, mahnte Schilfstengl. »Niemand will Sie kaltstellen, aber Sie müssen die Position der Bank verstehen. Das Auktionshaus Brahms ist zu einem Fass ohne Boden geworden. Die Antwort lautet daher auch weiterhin Nein! Ich kann es meinen Teilhabern ge genüber einfach nicht mehr verantworten. Schließlich haf ten wir mit unserem Privatvermögen …«
    Emma stand auf. »Komm, Papa, wir gehen!«
    Â»Wegen der Vase …« Schilfstengl brauchte nicht mal die Stimme zu heben, um Emma und ihren Vater auf halbem Weg zur Tür erstarren zu lassen. »Was sagt denn deine Versicherung, Theo? Zu dem Schaden, meine ich? Immerhin geht es doch um ganz erhebliche Summen …«
    Â»Machen Sie sich deswegen keine Sorgen!«, antwortete Emma, inzwischen bebend vor Empörung. »Sie werden Ihren Verlust bis zum letzten Cent ersetzt bekommen, und wenn ich dafür dem Teufel meine Seele verkaufen muss.«
    Hocherhobenen Hauptes stürmte sie aus Schilf stengls Büro und den mit poliertem Carrara-Marmor ausgeleg ten Korridor der Direktionsetage entlang. Ihr Vater konnte ihr kaum folgen. Die Ölporträts der Ahnen von Schilfstengl und Schmalfuß in den vergoldeten Rahmen an den Wänden schienen dem Betrachter aus jeder Perspektive hochmütig in die Augen zu blicken. Während Emma mit vor Nässe quietschenden Pumps den Fahrstuhl ansteuerte, kam es ihr vor, als folgten ihr die gemalten Blicke, um sicherzugehen, dass sie die Bank auch wirklich verließ.
    Draußen auf der Straße sagte sie: »Du hast mir gar nicht erzählt, dass du eine Marienstatue von Ignaz Günther zur Auktion bringen willst. So ein Objekt auf dem freien Markt, das ist ja fast ein Wunder!«
    Â»Ich wollte erst sichergehen, dass sie wirklich echt ist. Nach der Pleite mit dem Cézanne …«
    Deswegen hat er mich nicht um meine Meinung gebeten, dachte Emma. Er vertraut mir nicht mehr, ist ja auch kein Wunder. »Warum bittest du nicht Monsignore Wenzel, sie sich einmal anzusehen?«, fragte sie. »Er ist schließlich eine Koryphäe, wenn um sakrale Kunst geht. Vielleicht macht er dir sogar ein Angebot!«
    Ihr Vater nickte nachdenklich. »Keine schlechte Idee, mal sehen.« Er wischte sich etwas Schnee aus den Augenbrauen. Dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. »Danke, dass du mich begleitet hast, Emma. Ich muss zurück ins Geschäft. Und auf dich wartet deine Dreifaltigkeit!« Er gab ihr einen flüchtigen Kuss und umarmte sie kurz, dann stapfte Theodor Brahms eilig mit eingezogenem Kopf im dichten Schneetreiben davon.
    Â»Papa, können wir nicht noch zusammen einen Kaffee trinken?«, rief sie ihrem Vater nach, aber er blieb nicht stehen. Dann verlor sie ihn jäh aus den Augen, als der Schirm über ihrem Kopf zusammenklappte. Während sie sich, auf ihren glatten Sohlen immer wieder ausrutschend, zur Straßenbahnhaltestelle vorkämpfte, biss sie sich auf die Lippen, um nicht in Tränen hilflosen Zorns auszubrechen.
    Ãœber dem Fahrplanaushang fand sie einen mit Reißzwecken befestigten Anschlag der Verkehrsbetriebe vor: Wegen Straßenarbeiten wird diese Haltestelle zurzeit nicht angefahren. Wütend lief sie weiter. Nach einiger Zeit, in der sie weder Busse noch Taxis entdecken konnte, spürte sie ihre Füße nicht mehr. Obwohl es gerade mal Mittag war, fuhren die Autos mit eingeschalteten Scheinwer fern. Andere Passanten tauchten als dunkle Silhouetten aus den wirbelnden Flocken auf, rempelten Emma an oder spritzten sie mit Schneematsch voll und verschwanden wieder.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sie erneut das Summen ihres Handys hörte, unerreichbar in dem Rucksack auf ihrem Rücken. Sie flüchtete in einen schäbigen Haus eingang, schlüpfte aus den Rucksackriemen, riss den Klett verschluss auf und wühlte sich verzweifelt bis zum Grund des Rucksacks durch. In dem Moment, in dem sie das
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