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Der Adler ist gelandet

Der Adler ist gelandet

Titel: Der Adler ist gelandet
Autoren: Jack Higgins
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ich letztes Mal hier war, wollten Sie kein Wort sagen. Ja, Sie haben mich sogar rausgeworfen.« »Die Sache ist ganz einfach. Ich habe selbst diese ganzen Jahre über nur die Hälfte der Geschichte gekannt. Und jetzt entdecke ich plötzlich, daß mich die Neugier plagt, auch den Rest zu erfahren, ehe es zu spät ist.« Also erzählte ich ihm alles, denn ich sah keinen Grund, der dagegen gesprochen hätte. Als ich mit meinem Bericht zu Ende war, senkte sich bereits die Dämmerung über den Rasen vor den Fenstern, und das Zimmer lag im Halbdunkel.
    »Phantastisch«, sagte er. »Aber wie konnten Sie sich alle diese Informationen beschaffen?«
    »Nicht aus amtlichen Quellen, das dürfen Sie mir glauben. Nein, aus Gesprächen mit Leuten, die noch heute am Leben sind und sich zu Auskünften bereitfanden. Ein Großteil des Materials jedoch stammt aus dem sehr umfassenden Tagebuch des Mannes, der für die Organisation des ganzen Unternehmens verantwortlich war: Oberst Max Radl. Seine Witwe, die heute in Bayern lebt, gewährte mir Einsicht in seine Papiere. Und jetzt möchte ich eben gern wissen, wie es hier weiterging.«

    »Es wurde eine totale Nachrichtensperre verhängt. Jeder
    einzelne Dorfbewohner wurde von Beamten der Abwehr und der Sicherheitsdienste vernommen. Das Staatssicherungsgesetz kam in Anwendung. Nicht, daß es wirklich notwendig gewesen wäre. Die Leute hier sind ein ganz eigener Schlag. Halten zusammen, wenn's hart auf hart geht, mögen keine Fremden, wie Sie gesehen haben. Für sie war das Ganze ausschließlich ihre eigene Angelegenheit, in die niemand sich einzumischen hatte.« »Ganz abgesehen von Seymour.« »Stimmt. Wissen Sie, daß er im vergangenen Februar ums Leben kam?«
    »Nein.«
    »Fuhr eines Nachts betrunken aus Holt zurück. Geriet mit
    dem Lastwagen von der Straße ab in die Marschen und ertrank.« »Und was war nach dieser anderen Sache mit ihm geschehen?« »Wurde ohne viel Aufhebens als unzurechnungsfähig erklärt. Verbrachte achtzehn Jahre in einer Anstalt, ehe er aufgrund der gelockerten Bestimmungen über die Internierung Geisteskranker entlassen wurde.« »Aber wie brachten es die Leute hier fertig, ihn wieder bei sich aufzunehmen?«
    »Er war mit mindestens der Hälfte aller Familien des Bezirks blutsverwandt. George Wildes Frau Betty war seine Schwester.« »Mein Gott«, sagte ich. »Das hätte ich nie geahnt.« »In gewissem Sinn war also das jahrelange Schweigen auch eine Art Schutz für Seymour.«
    »Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, meinte ich. »Daß die furchtbare Tat, die er in jener Nacht beging, von allen anderen als eine Art Kollektivschuld betrachtet wurde. Etwas, das sie lieber vertuschten...« »Ja, das auch.« »Und der Grabstein?«
    »Die Pioniere, die hergeschickt wurden, um im Dorf Ordnung zu schaffen, Schäden zu reparieren und so weiter, legten alle Toten in ein Massengrab im Kirchhof. Äußerlich wurde die Stelle unkenntlich gemacht und sollte es auch bleiben.« »Aber Sie waren anderer Ansicht?«
    »Nicht nur ich. Wir alle. Die Kriegspropaganda war ein damals zwar notwendiges, aber eben doch ein Übel. Jede Wochenschau, die wir im Kino sahen, jedes Buch, das wir lasen, jede Zeitung, die wir aufschlugen, zeigte den deutschen Soldaten als Hunnen und Barbaren, aber diese Männer hier hatten uns eines Besseren belehrt. Graham Wilde ist heute ein tüchtiger Mann, Susan Turner ist verheiratet und Mutter von drei Kindern, und beide leben nur, weil einer von Steiners Leuten sein eigenes Leben für sie geopfert hat. Und erinnern Sie sich, er gewährte allen Dorfbewohnern freien Abzug aus der Kirche.« »Also wurde beschlossen, ein heimliches Denkmal zu errichten?«
    »Ja. Ließ sich ohne viel Schwierigkeiten machen. Der alte Ted Turner war früher Steinmetz. Die Grabplatte wurde aufgelegt, ich segnete sie ein, und dann versteckten wir sie vor den Blicken zufälliger Friedhofsbesucher, wie Sie ja wissen. Auch dieser Preston liegt übrigens darunter, wird jedoch in der Inschrift nicht erwähnt.« »Und damit waren sie alle einverstanden?«
    Er brachte sein mühsames frostiges Lächeln zustande. »Eine Art Sühne, was mich betrifft. ›Ich würde am liebsten auf seinem Grab tanzen‹, sagte Steiner damals, und er hatte recht. Ich haßte ihn. Hätte ihn mit eigenen Händen töten können.«
    »Warum?« sagte ich. »Weil eine deutsche Kugel Sie zum Invaliden machte?«
    »Das redete ich mir selbst ein, bis ich eines Tages Gott auf den Knien anflehte, er möge mir die
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