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Der 8. Tag

Der 8. Tag

Titel: Der 8. Tag
Autoren: David Ambrose
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Holzbank, die vor einer mit Klematis überwucherten Mauer stand. Sie lehnte sich zurück, schloss ihre Augen und legte ihre Hände auf ihre leicht gespreizten Beine. Es war eine Meditationshaltung, eine von vielen, die sie über die Jahre hinweg gelernt hatte.
    Aber es funktionierte nicht. An diesem Morgen musste sie an konkrete Dinge denken, nicht an Abstraktionen, obwohl manchmal diese beiden ineinander flossen. Sie stand auf und ging ins Haus zurück.
    Durch das Alter gedunkelte Holzbalken, ein altes Schiebefenster, vor dem eine Glyzinie herabhing. Ein blauer Kaffeebecher. Ein einfacher Steingutbecher auf einem Unterteller. Alte Messer und Bestecke mit abgenutzten Elfenbeingriffen. Bis zum Alter von fünf Jahren hatte sie in einem solchen Haus gewohnt und an dem Tag, als sie zum ersten Mal ihren Fuß in diese Küche gesetzt hatte, waren die Erinnerungen, die ein Vierteljahrhundert zurücklagen, mit solcher Macht über sie hereingebrochen, dass sie einen Augenblick lang so verwirrt war, dass sie fast in Panik verfiel. Dann war ihr klar geworden, dass dies genau das war, wonach sie unbewusst gesucht hatte.
    Sie mietete das Haus sofort ohne mehr als einen flüchtigen Blick in die anderen Räume geworfen zu haben.
    Während sie das Frühstück zubereitete, ließ Tessa ihre Gedanken zu dem Tag zurückgleiten, an dem ihre Kindheit geendet hatte. Viele Jahre hatte sie versucht nicht daran zu denken. Doch jetzt, in diesem Raum, dachte sie oft daran. Sie hatte festgestellt, dass dies ein heilsamer Prozess war; die schönen Erinnerungen verdrängten die schmerzhaften.
    Ihre Mutter hatte ihr stolz ein Buch mit Zeichnungen gezeigt, deren Entstehung Tessa in dem großen, hellen Raum im hinteren Teil des Hauses, wo ihr Vater immer arbeitete, mitverfolgt hatte. Tessa hatte es genossen, dort, umgeben von Papier, Farbe und Buntstiften, bei ihrem Vater zu sein.
    Sie waren immer noch in das Buch vertieft, als ihr Vater hereinkam. Dann hatten sie alle zusammen mit dem kleinen Happy, der schwarzweißen Promenadenmischung, gespielt, die erst seit zwei Monaten bei ihnen war. Ihre Eltern waren immer noch vergnügt, als sie fortgingen. Sie hatte ihrem Auto nachgesehen, als es auf der stillen Straße verschwand. Ein angenehmer Geruch von etwas, das ihre Mutter im Ofen kochend zurückgelassen hatte, hing in der Luft. Sie erinnerte sich, dass Jenny ab und zu danach sah. Jenny war ein Mädchen von dem Bauernhof, das manchmal eine Stunde oder so auf Tessa aufpasste.
    Der Tag, die Stunde war länger und länger geworden. Jenny hatte sich Sorgen gemacht und ihre Mutter angerufen. Es war dunkel, als Jennys Mutter in Begleitung von zwei Polizisten kam. Jennys Mutter hatte geweint und auch Jenny begann, nachdem sie mit ihrer Mutter geflüstert hatte, zu weinen. Dann blickten sie Tessa an und weinten beide. Sie nahmen sie für diese Nacht mit auf die Farm, wo sie mit Happy auf ihrem Bett schlafen durfte.
    Am nächsten Tag kam Tante Carrie mit Onkel Jack im Auto angefahren. Auch sie weinte. Sie erzählte Tessa, dass ihre Mama und ihr Papa mit Jesus im Himmel leben würden und nicht zurückkommen würden.
    Tessa konnte nicht begreifen, wie sie ohne sie weggehen konnten. Oder auch ohne Happy. Tante Carrie hatte keine Erklärung dafür abgegeben. Sie hatte Tessa nur gesagt, dass sie von nun an bei ihnen leben würde, da sie keine eigenen Kinder hätten. Tante Carrie war fünfzehn Jahre älter als Tessas Mutter und Onkel Jack war noch einmal ein gutes Stück älter.
    Ihr Haus lag weit entfernt und war ganz anders. Von außen sah es aus wie alle anderen in der Straße, doch drinnen war es dunkel und es gab merkwürdige Gerüche. Doch das Schlimmste war, dass man ihr nicht erlaubt hatte Happy mitzunehmen.
    Tante Carrie war allergisch gegen Haustiere und so musste er auf der Farm bleiben. Sie hatten ihr gesagt, dass sie ihn besuchen könnte, doch Onkel Jack schien nie Zeit zu haben. Nach einer Weile, als Reaktion auf ihre dauernden Fragen nach dem kleinen Hund, hatte man Tessa gesagt, dass auch er in den Himmel gegangen wäre um mit Mama und Papa zu leben.
    Also gab es keinen Grund mehr weiter nach ihm zu fragen.
    In der Schule hatte sie wenige Freundinnen und selbst die waren schwer zu halten, denn es war ihr nicht erlaubt, sie mit nach Hause zu bringen. Ihre Tante und ihr Onkel fürchteten, sie könnten zu viel Krach machen. Auch wurde Tessa nicht erlaubt draußen zu spielen und sich »herumzutreiben«. Die meiste Zeit brachte sie in ihrem Zimmer zu und
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