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Der 8. Tag

Der 8. Tag

Titel: Der 8. Tag
Autoren: David Ambrose
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anrufe.«
    »Nein, überhaupt nicht.«
    »Es muss jetzt, mein Gott, wie viele Jahre ist es her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben?«
    »Fragen Sie nicht«, lachte sie. »Ich habe irgendwo noch ein Foto.«
    »Haben Sie? Von mir?«
    »Wir beide gemeinsam. Auf irgendeiner Hochzeit. Sie müssen da vier, höchstens fünf Jahre alt gewesen sein.«
    »Sandra, lassen Sie mich erklären, warum ich anrufe… «
    »Sandy. Jeder nennt mich immer noch Sandy und du kannst mich duzen.«
    »Sandy. Ich möchte mich wirklich nicht aufdrängen. Sag bitte, wenn es so ist.«
    »Nein, natürlich nicht. Ich bin froh etwas von dir zu hören.«
    »Es ist einfach so, dass ich vor einiger Zeit ehrenamtlich für den Tierschutzverein in Atlanta gearbeitet habe und in unserer Abonnentenkartei auf deinen Namen gestoßen bin. Ich schrieb mir deine Adresse heraus und dachte mir, wenn ich jemals nach Los Angeles komme, dann rufe ich an und finde heraus, ob du es wirklich bist.«
    »Du bist in Los Angeles?«
    »Ich habe Seminare an der University of California als Teil meiner Ausbildung zum Tierarzt.«
    »Du bist ein Tierarzt?«
    »Ich werde einer. Ich denke daran, mich hier in Kalifornien niederzulassen.«
    »Vielleicht kann ich dir helfen.«
    »Oh nein, hör zu, deswegen habe ich nicht angerufen.«
    »Die Frau, für die ich arbeite, kennt hier jeden.«
    »Für wen arbeitest du?«
    »Ihr Name ist Mrs. Rosa Korngold.«
    »Korngold? Da klingelt etwas bei mir.«
    »Sie ist Mitglied in vielen Gremien und so. Ich kümmere mich um ihre Hunde. Das ist meine Arbeit.«
    »Was für Hunde?«
    »Retriever. Sie hat acht Stück.«
    »Acht!«
    Sandy lachte. »Sie liebt Retriever wirklich.«
    »Hör zu, Sandy, wie ich schon sagte, ich will mich keinesfalls aufdrängen, aber wollen wir uns nicht irgendwann auf eine Tasse Kaffee treffen, was denkst du?«
    »Warum kommst du nicht hierher?«
    »Nein, das will ich wirklich nicht.«
    »Du solltest Mrs. Korngold treffen. Sie ist eine nette Frau.
    Und wenn sie erfährt, dass du ein Tierarzt bist… «
    »Bist du sicher?«
    »Selbstverständlich.«
    »Das würde ich wirklich gerne. Nur… nun das erste Mal, wenn wir uns treffen, denke ich, es wäre besser, wenn wir alleine wären, nur wir beide. Ich meine, uns über die Familie unterhalten, die alten Zeiten und so.«
    7
    ÜBER TESSAS GESICHT zog sich ein Lächeln, als sie von der Banbury Road links abbog. Sie hatte sich zum Spaß allerlei dümmliche Namen für ihr Kind ausgedacht. Warum amüsierte sie die Vorstellung einen Jungen ›Walter‹ zu nennen? Oder ein Mädchen ›Myrtle‹? Und was war so schlimm an
    ›Herbert‹, ›Sybille‹, ›Stanley‹, ›Vera‹, ›Parsival‹, oder ›Mabel‹?
    Es waren hervorragende Namen, mit denen man wirklich zufrieden sein konnte, und doch lachte sie laut bei der Vorstellung ihr Kind so zu nennen. Wie kam es, dass Worte Vorstellungen hervorriefen, die ihre eigentliche Bedeutung völlig veränderten?
    In Wirklichkeit hatte sie sich schon entschieden. ›Paul‹ nach ihrem Vater, wenn es ein Junge würde, und ›Rachel‹ nach ihrer Mutter, sollte es ein Mädchen sein.
    Sie bog nach rechts ab und fuhr um das mächtige, rote Backsteingebäude des Keble College herum, dann links in die South Park Road. Danach passierte sie ein Tor mit herabhängenden Rhododendronzweigen und fuhr zwischen den weit auseinander liegenden Gebäuden, die den Wissenschaftsbereich bildeten, zu ihrem Parkplatz.
    Das Kendall Institut war in den späten Fünfzigern als Anbau an ein viktorianisches Gebäude, in dem sich jetzt die Institutsverwaltung befand, errichtet worden. Eigentlich war es kein einheitliches Institut, sondern eine Reihe von eigenständigen Einheiten, die, je nachdem wer mit wem an welchem Projekt arbeitete, jederzeit in Größe und Anzahl modifiziert werden konnten. Es fungierte als eine Abteilung des Fachbereiches Computerwissenschaften der Universität, doch da es mit Fremdmitteln finanziert wurde, stand man in engem Kontakt zu Industrie und Regierungsbehörden auf der gesamten Welt. Künstliche Intelligenz, kurz KI, konnte nicht ernsthaft erforscht werden, ohne dass man das Kendall-Institut erwähnte.
    An diesem Morgen befanden sich in Tessas Post nur ein paar Zeitschriften und das Manuskript eines Artikels über elektronische Wahrnehmung, den jemand, den sie am Massachusetts Institute of Technology kannte, für die Veröffentlichung vorbereitete. Als sie die Stufen hinaufging, begrüßte sie ein paar Leute und blieb auf ein paar
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