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Der 8. Tag

Der 8. Tag

Titel: Der 8. Tag
Autoren: David Ambrose
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Osterferien. Philip und sie wollten sich am Donnerstag nach Frankreich aufmachen. Sie sollte ihn in der Wohnung seines Freundes Tom in Earls Court abholen, wo die beiden die Sommerausgabe der Literaturzeitschrift zusammenstellten, deren Mitherausgeber sie waren.
    Sie hatte in den letzten paar Wochen kaum mit Philip gesprochen, da er dort unten in hektischer Betriebsamkeit war und es ihr hier nicht besser ergangen war. Ein kurzes Wochenende hatte sie mit ihm verbracht aber sie waren meist auf Partys und mit Leuten zusammen gewesen, hatten eine Vorstellung in einem kleinen Theater besucht und es war keine Zeit gewesen über das Kind zu sprechen. Es würde einfacher sein, wenn sie weg von allem wären, am Strand spazierten, möglicherweise mit dem Mont St. Michel am Horizont. Das entsprach mehr ihren Vorstellungen.
    Auf dem zweiten Brief, den sie aus ihrem Postfach nahm, erkannte sie seine Handschrift sofort. Er war am Samstag in London abgestempelt. Sie öffnete ihn schnell und fand nicht die Zeit sich zu wundern, was das wohl zu bedeuten hatte.
    Doch sie brauchte nur die ersten paar Zeilen zu lesen um Bescheid zu wissen.
    Meine geliebte Tessa,
    mir ist es noch nie so schwer gefallen einen Brief zu schreiben.
    Ein Teil von mir wünschte den Mut zu haben, dir dies von Angesicht zu Angesicht zu sagen, doch der andere Teil dankt Gott dafür, dass es nicht so ist, denn ich könnte deinen merkwürdigen, resignierenden Blick, den du immer dann bekommst, wenn dich jemand enttäuscht, nicht ertragen.
    Er fuhr mit der Mitteilung fort, dass er sich seit drei Monaten mit einer anderen Frau traf. Seine Reisen nach London um an der Zeitschrift zu arbeiten waren mehr und mehr zu einer Ausrede geworden. Die Frau, deren Namen er nicht nannte, kam wie er selbst aus Australien. Jetzt, da sein zwölfmonatiges Stipendium in Oxford zu Ende ging, hatten sie beschlossen gemeinsam nach Australien zurückzugehen. Mehr schrieb er nicht, nur die üblichen Gefühlsduseleien, wie wertvoll ihm die Zeit mit Tessa war, wie er sie immer im Gedächtnis behalten und niemals vergessen würde usw. Auf Wiedersehen.
    Nachdem sie ihn zum zweiten Mal gelesen hatte, bemerkte sie, wie sie immer noch dastand und mit ausdrucksloser Miene einige Momente, vielleicht sogar Minuten auf den Brief gestarrt hatte. Sie begann nochmals ihn zu lesen, brach dann aber ab. Es hatte keinen Zweck, es stand nicht mehr darin und es gab auch nichts zwischen den Zeilen zu lesen. Es war vorbei.
    Neben ihr erklangen auf den alten, gesprungenen Marmorfliesen die Schritte von Leuten, die ihren Geschäften nachgingen. Glücklicherweise kam niemand vorbei, den sie gut kannte; sie wusste nicht, wie sie reagieren würde, wenn sie jemand ansprach. Sie drehte sich um und eilte hinaus zu ihrem Wagen, wo sie sich hinter das Lenkrad setzte.
    Warum hatte er den Brief hier ins Institut geschickt und nicht zu ihrem Cottage? Nicht dass es eine Rolle spielte, aber es musste einen Grund dafür geben.
    Sie faltete den Brief noch einmal auseinander und flog über die inzwischen vertrauten Sätze. Das war es: Zeit. Die Frau und er flogen an diesem Morgen von Heathrow ab. Sie waren in der Luft, bevor sie im Institut ankam. So musste er es geplant haben. Keinen Gedanken hatte er daran verschwendet, dass sie einen Schock wie diesen besser in ihrer Wohnung als an ihrem Arbeitsplatz verdauen könnte. Darauf wäre er nie gekommen.
    Wie wenig er sie verstand. Wie wenig er an sie dachte. Und, so kam sie schließlich zu dem Schluss, wie wenig es sie berührte. Sie zerknüllte den Brief in ihrer Faust zu einer kleinen Kugel und fragte sich, was sie damit machen sollte. Sie steckte ihn tief in die Tasche ihrer langen, lose fallenden Jacke. Dann fragte sie sich, was sie selbst jetzt anfangen sollte.
    Verdammt, sie würde hineingehen und arbeiten. Das war immer noch das beste Mittel. Wenn sie jemand fragen würde, was mit Ostern sei, was ziemlich sicher war, oder die Bretagne erwähnte, da sie ihren Freunden davon erzählt hatte, würde sie nur entgegnen, dass sich ihre Pläne geändert hätten. Mehr würde sie nicht sagen. Das ging keinen außer sie etwas an.
    Genau wie ihr Kind. Das ging auch niemanden außer sie etwas an. Sie war innerlich vorbereitet gewesen, bloß nicht darauf, dass die Entscheidung so schnell fallen würde.
    Nun gut, es war geschehen. Und die Geschichte mit Philip lag hinter ihr. Er hätte sowieso keinen guten Vater abgegeben.
    Die Vorstellung war lächerlich. Sie und ihr Kind würden sehr gut
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