Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der 8. Tag

Der 8. Tag

Titel: Der 8. Tag
Autoren: David Ambrose
Vom Netzwerk:
las. Sie redete wenig und auch dann nur, wenn sie angesprochen wurde. Es hatte den Anschein, als ob ihr Leben sich irgendwo anders abspielte und sie aus sicherer Entfernung zusah.
    Dass sie die Prüfungen gut bestand, war kein Wunder, sie hatte ja nichts anderes, womit sie ihre Zeit verbringen konnte.
    Die anderen Kinder zogen sie manchmal auf und nannten sie eine Streberin, doch meistens ließen sie Tessa in Ruhe. Sie schmeichelte sich nicht bei den Lehrern ein und meist blieb sie gänzlich unauffällig. Sie war völlig überrascht, als die Direktorin ihr sagte, sie sei für ein Stipendium in Oxford vorgeschlagen, und es war eine noch größere Überraschung, als sie es wirklich erhielt. Sie durfte zwei Jahre früher als normal von der Schule abgehen und so begann ihr Leben aufs Neue.
    Sie machte zuerst einen Abschluss in Mathematik und promovierte danach. Sie war dann einige Semester Tutorin und arbeitete später für eine Softwarefirma, bevor sie schließlich wieder zurück an das Kendall-Institut ging, das ein Teil der Universität war, aber aus externen Mitteln finanziert wurde und reine Forschung betrieb. Kybernetik wurde zu ihrem Spezialgebiet.
    Es war erst acht Uhr, als Tessa sich eine zweite Tasse Kaffee zum Umziehen mit nach oben nahm. Diesmal wechselte sie nur den Pullover gegen etwas lockerer Sitzendes. Ihre Schwangerschaft zeigte sich noch nicht, sie war erst in der zwölften Woche, trotzdem wurde sie langsam um die Hüften breiter. Es war ein seltsam angenehmes Gefühl.
    Sie drehte den Kopf von einer Seite zur anderen und musterte ihr Bild im Spiegel, zuerst schüttelte sie ihr langes Haar nach hinten, dann hob sie es nach oben. Sie entschied, dass heute ein Tag war, an dem sie das Haar aufgesteckt tragen würde. Ihre klaren, blauen Augen musterten sie, als sie das Haar feststeckte. Sie sahen eine unbestreitbar schöne Frau, hohe Wangenknochen, volle Lippen im Zusammenspiel mit einem dunklen Teint, der von ihrem Vater kam, der ein halber Grieche gewesen war, und ihrer walisischen Mutter. Ein jeder, Liebhaber, Kollegen, Freunde, hatte ihr gesagt, dass, wenn sie sprach, sie voller Leben und Energie war. Ihr Lächeln, so sagten sie, konnte einen Raum erleuchten.
    Das verwirrte sie, denn jedes Mal, wenn sie in den Spiegel schaute, sah sie nur das blanke, ungeformte Abbild des Kindes, welches sie einmal gewesen war und das immer noch unsicher war, was man sagen oder wie man sich benehmen sollte.
    Sie stand auf und bemerkte, dass sie ihre Hand auf ihren Bauch gelegt hatte um nach dem Leben zu tasten, das sich darin verbarg. Als sie sich umdrehte, fiel ihr Blick noch einmal auf ihr Spiegelbild und zum ersten Mal, so lange sie sich erinnern konnte, hatte sie den Eindruck, es würde ihr zulächeln.
    Überrascht von ihrem Glücksgefühl, ging sie in den anderen Raum, wo ihre Computer aufgestellt waren. Gestern Abend hatte sie sich in Attila eingelogt, den Hauptspeicher des Institutcomputers, und bis spät in die Nacht gearbeitet.
    Danach hatte sie auf ihrem PC einige Notizen gemacht und diese auf Diskette kopiert. Jetzt nahm sie die Diskette aus dem Laufwerk und steckte sie in die Tasche ihrer Jeans um sie sich später noch einmal anzusehen.
    Danach verschloss sie das Haus und machte sich in ihrem Auto auf die zwanzigminütige Fahrt nach Oxford.
    6
    SANDRA SMALLWOOD, JEDER nannte sie Sandy, nahm
    den Anruf an ihrem privaten Anschluss entgegen, den ihr Mrs. Korngold im Gartenflügel des Haupthauses eingerichtet hatte.
    »Hallo?«
    »Tut mir Leid Sie zu stören«, erklang eine männliche Stimme, »aber könnte ich bitte mit einer Miss Sandra Smallwood sprechen?« Die Stimme klang jung und der Ton war höflich.
    »Das bin ich selbst.«
    »Miss Smallwood, ich glaube nicht, dass Sie sich an mich erinnern, aber ich bin ein Verwandter von Ihnen. Mein Vater ist der Cousin Ihrer Mutter. Ich glaube, dadurch sind wir Cousins zweiten Grades.«
    »Wie ist Ihr Name?«
    »Darren Wade.«
    »Aus Philadelphia?«
    »Richtig.«
    »Sie sind Bill und Naomis… «
    »Richtig, das ist richtig… «
    »Ich habe schon seit Jahren nichts mehr von denen gehört.
    Wie geht es ihnen?«
    »Sie machen im Moment eine Weltreise. Ich weiß nicht, ob Sie davon gehört haben, Vater hatte mit den Aktien einer kleinen Firma Glück gehabt, die er vor zehn Jahren gekauft hatte, und die jetzt keine kleine Firma mehr ist. «
    »Ich habe nichts davon gehört. Das klingt ja großartig.«
    »Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, dass ich so einfach
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher