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Der 50-50 Killer

Der 50-50 Killer

Titel: Der 50-50 Killer
Autoren: Steve Mosby
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Haar. Durchschnittsaussehen, um ehrlich zu sein.
    Kein tolles Foto, aber Kameras und ich sind noch nie gut miteinander ausgekommen. Sie scheinen mich immer im falschen Moment zu erwischen. Auf diesem Bild sehe ich ziemlich selbstbewusst und entschlossen aus, und trotzdem merkt man, dass ich etwas nervös bin. Im persönlichen Umgang unter vier Augen konnte ich das besser verbergen. Aber diese Kamera hatte mich kalt erwischt.
    In der Akte mit diesem Foto gibt es knappe Details zu meinem Werdegang. Name: Mark Nelson. Alter: achtundzwanzig. Zu diesem Zeitpunkt war ich seit einer halben Stunde ein offizieller, wenn auch noch erfolgloser Detective.
    Meine Berufserfahrung: Ich war Vernehmungsexperte. Mein Spezialgebiet war das Gespräch mit Verdächtigen, Opfern, Zeugen, Befragungen von Haus zu Haus. Den Leuten die Befangenheit zu nehmen und ihren Geheimnissen auf die Spur zu kommen. Bevor ich zur Polizei ging, hatte ich in Psychologie promoviert. Für die Doktorarbeit hatte ich auch Gespräche mit mehreren Serienverbrechern geführt. Das hatte mein Interesse geweckt, und ich hatte wohl immer vermutet, dass ich in der Verhaltenspsychologie landen würde, nachdem ich zur Polizei gegangen war. Wie im Kino. Nur kam es dann nicht so. Denn ich entdeckte, dass ich eher eine Begabung für Gespräche hatte, obwohl das nicht so aufregend sein mag. Ich hatte mir nie vorgestellt, dass das mein Spezialgebiet werden könnte, aber das Leben wirft einem gelegentlich solche Zufallstreffer zu, und manchmal fängt man sie auf.
    Aus der Akte ging hervor, dass ich vor fünf Jahren meinen Universitätsabschluss gemacht und die Zeit danach beim Reserveteam zugebracht hatte, das hier und da zu bestimmten Fällen von den jeweiligen Detectives hinzugezogen wurde. Es macht keinen besonders großen Spaß, aber es ist eben die Arbeit, die man zu leisten hat. Und während dieser Zeit nahm ich auch an allen relevanten Fortbildungskursen teil, die sich anboten, sammelte so viel Erfahrung, wie ich konnte, und versuchte mir kleine Sachgebiete aufzubauen, auf denen ich mich auskannte. Im Grunde machte ich einfach meinen Job, hielt aber immer die Augen in puncto Beförderung offen, jedenfalls irgendwann einmal.
    Zwei Monate zuvor hatte ich herausgefunden, dass Mercer eine offene Stelle für einen Mitarbeiter hatte, der Haus-zu-Haus-Befragungen machen sollte, und als ich die Anzeige las, dachte ich, warum eigentlich nicht? Was hatte ich zu verlieren? Ich konnte mich vorstellen, meine Unterlagen für mich sprechen lassen und mein Anliegen, so gut ich konnte, persönlich vertreten. Nach den Sternen greifen, wie man sagt, und mich auch mit weniger zufriedengeben.
    Es hört sich komisch an, aber ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass ich die Stelle bekommen würde. Als ich vor zwei Wochen die Zusage bekam, hüpfte ich im wahrsten Sinne des Wortes in unserer alten Wohnung herum wie ein Kind.
    Die Bewerbung und das Vorstellungsgespräch waren mir nie ganz aus dem Kopf gegangen, trotzdem hatte ich mir eingeredet, dass ich keine Chance hätte – und dass ich mir selbstverständlich sowieso nichts daraus machte. In diesem Moment jedoch merkte ich ebenso selbstverständlich, wie viel mir daran lag.
    An jenem Abend setzte ich mich hin und las Mercers Buch noch einmal von vorn bis hinten durch, und in die Erregung mischten sich langsam Nervosität und Selbstzweifel. Schließlich war Mercer eine Legende; wie konnte ich mit meiner geringen Erfahrung da mithalten? Und worauf es noch mehr ankam: Was war, wenn ich es nicht schaffte? Als Reaktion darauf hatte ich mich an das erinnert, was Lise immer gesagt hatte, dass ich mehr Selbstvertrauen haben und mir nicht so viele Sorgen um mein Leben machen, sondern es einfach anpacken solle. Ich sah mich in der schäbigen Wohnung um, in der sie, genau wie hin und wieder in meinen Träumen, durch ihre Abwesenheit so bedeutend war, und es gelang mir, aus den Keimen unserer früheren Gespräche etwas mehr Entschlossenheit zu entwickeln.
    Aber trotzdem – bei Mercers Ansehen war es ganz normal, dass ein wenig Angst übriggeblieben war. Wenn ich dieses Foto jetzt betrachte, erkenne ich eine Spur Angst hinter meinem Selbstbewusstsein, und ich sehe, dass mich der Gedanke nervös machte, was dieser erste Tag wohl bringen würde.
    Dabei hatte ich ja damals wirklich noch keine Ahnung.
     
    Vor dem fünften Büro im Korridor blieb ich stehen und betrachtete das Schild. Dann holte ich tief Atem und öffnete die Tür.
    Es war niemand
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