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Der 50-50 Killer

Der 50-50 Killer

Titel: Der 50-50 Killer
Autoren: Steve Mosby
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zurecht. Immer größer wurde der Wunsch, bei ihr zu sein, aber er gehörte hierher, zu Pete, Simon und Greg.
    Die vier saßen schweigend da, der fünfte lag vorn in der Kapelle im Sarg. Mercer starrte darauf. Er schien zu klein für einen Mann, der so viele Jahre für ihn – mit ihm – gearbeitet hatte. Der Tod machte alle kleiner. Auch dies war ein Grund, weshalb Begräbnisse so traurig waren. Selbst eine solche religiöse Zeremonie erschien ihm im Grunde gottlos.
    Er neigte den Kopf leicht zur Seite und horchte auf das Murmeln der gedämpften Gespräche und die leise scharrenden Schritte der Leute, die zu ihren Plätzen gingen. Ab und zu erhob sich ein tiefes, widerhallendes Husten wie ein Vogelschwarm, der unters Dach hochflatterte.
    Schließlich ging der offizielle Redner nach vorn zum Pult. Langsam wurden alle still. Der Mann sprach in ein Mikrofon, das seine Stimme verstärkte, jedoch nur ein wenig.
    »Wir sind heute hier versammelt, um Andrew Dysons zu gedenken, der am fünfzehnten Dezember starb und in Ausübung seines Dienstes von uns genommen wurde. Andrew war nicht ausgesprochen religiös, und so wurde ein kirchlicher Trauergottesdienst nicht für angebracht gehalten. Ich bin heute als Beauftragter des Bundes der Konfessionslosen hier, um eine nicht kirchliche Feier abzuhalten.«
    Er hob den Blick, schaute zum hinteren Teil der Kapelle, und sein Gesicht wurde von warmem gelbem Licht beschienen. »Die Welt ist eine Gemeinschaft, und Andrew war zusammen mit uns ein Teil dieser Gemeinschaft«, sagte er. »Wenn man im Alltag seinen eigenen Angelegenheiten nachgeht, vergisst man oft, dass wir alle am Leben und am Tod jedes Einzelnen teilhaben und davon berührt werden.«
    Mercer schaute nach links, zu Andrews Frau hinüber. Sie saß zwischen ihren zwei kleinen Töchtern und hielt beide fest an den Händen, war für die beiden stark. Als er mit der Nachricht vom Tod ihres Mannes zu ihr gekommen war, hatte sie lange und heftig geweint, doch sie hatte sich auch besonnen und praktisch verhalten. Er saß den ganzen Abend bei ihr, und da hatte sie ihn gebeten, eine Grabrede für Andrew zu halten. Unfähig, ihr das abzuschlagen, hatte ihn schon damals Panik ergriffen. Jetzt saß er ganz vorn auf der linken Seite der Kapelle, so wie sie auf der rechten, doch er hatte nichts von ihrer Entschlossenheit.
    »Den Trost, einen Freund oder geschätzten Kollegen zu haben, mögen wir verloren haben, nicht aber den Trost, dass wir ihn einst gehabt haben. Es ist schlimm, dass wir verloren haben, was wir hatten, aber wir sollten nicht nur den Verlust unserer Freunde beklagen, sondern auch dankbar sein für den Segen, dass sie einmal zu uns gehörten.«
    Der Redner sah auf seine Notizen und fuhr dann fort.
    »Die Tatsache des Todes können wir nicht auslöschen oder ungeschehen machen«, sagte er. »Aber sie kann gemildert werden durch unsere immerwährende Liebe zu denen, die uns verlassen haben, und durch die Liebe zueinander.«
    An dieser Stelle begann Mercer zu merken, dass irgendetwas nicht stimmte. Es fing mit einem Klingelgeräusch in beiden Ohren an, und als er den Redner anstarrte, nahm er alles um diesen herum allmählich strahlend hell und wie aus weiter Ferne wahr. Seine Nackenhärchen sträubten sich, und sein Herz schlug immer schneller.
    Etwas war nicht in Ordnung.
    »Der endgültige Abschied durch den Tod bringt immer Kummer und Schock mit sich«, sagte der Mann. »Die sehr Feinfühligen werden besonders tiefe Trauer empfinden. Keine der jemals praktizierten Religionen und Weltanschauungen können diese natürliche menschliche Reaktion verhindern.«
    Mercer drehte sich auf der Bank um und ließ den Blick über die Menschen schweifen, die hinter ihm saßen. Ein Meer von Körpern und Köpfen. Hinten in der Kapelle war die Tür offen, und vor dem Eingang standen noch mehr Leute. »Aber welche Beziehungen der Tod auch zerbrechen mag und was immer wir persönlich auch glauben mögen, wir können zumindest sicher sein, dass die, die wir verloren haben, jetzt ihren Frieden haben.«
    Er versuchte, einzelne Gesichter zu erkennen. Trotz der vielen Menschen hier sah er niemanden, den er kannte. Allerdings wandten sich ihm ein paar Köpfe zu.
    Einige Blicke begannen, in seine Richtung zu wandern.
    Der Redner war verstummt. Mercer blickte wieder zu ihm hin und sah, dass er neben das Pult getreten war und erwartungsvoll auf ihn hinabschaute.
    Er hatte seinen Einsatz verpasst. Höfliches Räuspern und Husten war in der Kapelle
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