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Der 18 Schluessel

Der 18 Schluessel

Titel: Der 18 Schluessel
Autoren: Birgit Fiolka
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Dienstag, eine Kollegin war krank, und eine Kundin beschwerte sich über eine zu blass gedruckte Seite in einem von ihr gekauften Buch, als Eliana den Laden betrat.
    „Wir werden Ihnen das Buch umtauschen, Frau Berlinger-Schackelbach“, versicherte ihre Kollegin Kerstin einer Frau im blauen Wollkostüm, die einen kläffenden Rehpinscher im Arm hielt. Eliana winkte Kerstin zu und zog ein Gesicht in Richtung der Kundin, das diese nicht sah. Frau Berlinger-Schackelbach war eine Stammkundin der Buchhandlung, kaufte seit vielen Jahren ihre Bücher bei Edel und Berns, und fand regelmäßig irgendetwas zu bemängeln, um Preisnachlass zu bekommen. Nicht, dass sie das wirklich nötig gehabt hätte – Frau Berlinger-Schackelbach entstammte einer reichen in Köln alteingesessenen Industriellenfamilie und wohnte in einem der besten Stadtviertel. Eliana hatte einmal im Beisein von Frau Berns erwähnt, dass es sie nicht wundern würde, dass diese Familie so reich geworden war, falls Einkaufsstrategien genetisch vererbt werden konnten. Ihre humorlose Chefin hatte ihren Scherz nicht lustig gefunden. Mochten sie und die Kollegen auch genervt sein von dieser Frau, für ihre Chefin war sie eine Lokalprominente. Eliana seufzte. An manchen Tagen glaubte sie trotz allem noch daran, es wäre das geringere Übel gewesen, eine schlechte Psychiaterin zu sein, als in einer katholischen Buchhandlung zu arbeiten.
    Als Eliana zurück in den Verkaufsraum kam, hatte sich Kerstin mit Frau Berlinger-Schackelbach geeinigt. „Ich wünsche Ihnen trotzdem viel Freude mit dem Buch.“
    Der Rehpinscher schnappte nach Kerstins Hand, während sie der Kundin die Tüte mit dem Buch zurückreichte. „Vielen Dank“, vernahm Eliana noch die gestelzte Stimme der Kundin. „Nächste Woche komme ich wieder.“
    Als sie fort war, flüsterte Eliana Kerstin zu: „War das etwa eine Drohung?“
    Kerstin musste unvermittelt lachen. „Die Berns kann uns eigentlich gar nicht genug dafür bezahlen, dass wir Die schon so lange ertragen. Du bist spät dran heute.“
    „In meinem Bett liegt ein nackter Mann“, gab Eliana wahrheitsgemäß zu, weil sie wusste, dass Kerstin ihr ohnehin nicht glauben würde. Wie erwartet, bedachte Kerstin sie mit einem Lachen über den gelungenen Scherz. Jeder wusste, dass das einzige männliche Wesen, das seit über drei Jahren in Elianas Bett schlief, ihr Kater war. Zuerst hatte Kerstin, die Mitleid mit jeder Singlefrau empfand, versucht etwas daran zu ändern und sie in Bars oder Diskotheken mitgeschleppt. Aber alle ihre Bemühungen waren erfolglos geblieben. Eliana ließ jeden abblitzen, der sich für sie interessierte. Irgendwann hatte Kerstin es dann aufgegeben, Eliana verkuppeln zu wollen – spätestens ab dem Zeitpunkt, als sie Alain, ihr Eclair , wie sie ihn nannte, auf einer Ausstellung über Origami-Kunst kennengelernt hatte. Seitdem war nicht mehr Elianas Singleleben, sondern Kerstins französischer Liebesknochen ständiges Thema unter den Kollegen.Eliana war es Recht, brachte es sie selbst doch aus dem Fokus des allgemeinen Beziehungswahnsinns.
    „Die Berns ist heute nicht da. Wir haben einen entspannten Tag vor uns.“ Kerstin seufzte. Frau Berns, ihre Chefin, war effizient, was die Arbeitseinteilung ihrer Angestellten anging. Jede Minute des Tages war mit etwas Sinnvollem zu füllen, und wenn man nur gut sortierte Bücherregale noch einmal neu sortierte.
    Kurz nach Eliana kamen auch Henning und Bernd, die beiden anderen Angestellten von Edel und Berns. Sie grüßten kurz, und dann hingen sie alle für sich ihren Gedanken oder ihrer Arbeit nach. Während Eliana die Regale sortierte, die sie erst gestern umsortiert hatte, fragte sie sich, was der Fremde in ihrer Wohnung wohl gerade tat.
    Um Punkt ein Uhr schlenderte Eliana über den Weihnachtsmarkt und sog die frische Winterluft durch ihre Nase. Sie mischte sich mit allerlei Gerüchen von Zimt, Glühwein und mit Kohle beheizten Grillfeuern. Der fast fünfundzwanzig Meter hohe geschmückte Weihnachtsbaum in der Mitte des Platzes, von dem aus sich Lichterketten wie ein strahlenförmiges Dach über die Dächer der Buden spannten, verlieh der Szene vor allem abends etwas Romantisches. Pärchen schlenderte gerne in der historischen Atmosphäre des Doms an den Ständen vorbei. Wenn man nicht von morgens bis abends die Musik von der Bühne und den Lautsprechern mitbekam, war der Weihnachtsmarkt am Roncalliplatz tatsächlich ganz schön. Die meisten Kölner liebten den
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