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Der 18 Schluessel

Der 18 Schluessel

Titel: Der 18 Schluessel
Autoren: Birgit Fiolka
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Jacke um die Schultern. Er wehrte sich nicht, bedankte sich nur auf Latein.
    Noch immer stand der Domwärter vor Eliana, und endlich schien er zu verstehen, was sie ihm vorwarf. Er hob erschrocken die Brauen. „Sie glauben doch nicht ... Nein, das stimmt nicht! Ich habe ihn im Dom gefunden.“
    „Und die Wunden am Rücken hat er sich selbst zugefügt“, gab Eliana so furchtlos wie möglich zurück und baute ihre nicht gerade beeindruckende Körpergröße zwischen dem Opfer und dem vermeintlichen Täter auf. „Wenn Sie nicht verschwinden, dann rufe ich die Polizei!“
    Trotz des Schneetreibens konnte Eliana sehen, dass er bei ihren Worten blass wurde. Obwohl sie selbst Angst hatte, wusste sie, dass sie souverän bleiben musste, damit er verschwand.
    „Sie sind ja vollkommen verrückt“, flüsterte der Domwart, aber wirkte dabei wie ein überführter Verbrecher. Vom anderen Ende der Domplatte waren leise Stimmen zu hören. Anscheinend waren doch noch Leute unterwegs. Einen Augenblick kämpfte der Domwart noch mit sich, dann hob er die Hände und umfasste seine Spendendose, als wolle er sich daran festhalten. „Irgendetwas stimmt mit diesem Mann nicht.“
    „Ich denke, dass etwas mit Ihnen nicht stimmt“, blaffte Eliana und half dem noch immer im Schnee kauernden Mann auf die Beine, ohne dabei ihr Gegenüber aus den Augen zu lassen.
    Jetzt kamen die Stimmen näher, gleich würden Menschen um die Ecke biegen und sie sehen. Schließlich gab er auf. „Vielleicht sieht es nach etwas Unaussprechlichem aus, aber ich habe nichts getan!“ Dann wandte er sich um und rannte zurück in den Dom.
    Eliana atmete hörbar aus, als er verschwunden war. Das war geschafft, aber ihr Zittern rührte kaum von der Kälte her. Was sollte sie mit dem Verletzten anfangen? „Wo wohnen sie?“, versuchte Eliana ihn anzusprechen, doch der Mann starrte nur zitternd zu Boden. Er musste erst einmal ins Krankenhaus, danach würde sie die Polizei rufen und erzählen, was geschehen war ... der Fremde zitterte so stark, dass jede weitere Minute bei Minustemperaturen ihn in Lebensgefahr brachte. Sie würde ihn die paar Schritte zum Bahnhof bringen ... jemanden bitten, ihr sein Handy zu leihen ... oder direkt in die Bahnhofsmission ...
    In diesem Augenblick sah er sie an, und Eliana spürte, wie alle ihre Pläne dahinschmolzen und weggeschwemmt wurden. Die Augen ... wie die eines Neugeborenen ... hilflos ... Etwas in ihr war sich auf einmal sicher, dass von diesem Mann keine Gefahr ausging. Seine Augen schienen zu ihr zu sprechen Hilf mir ... Eliana sah hinüber zum Bahnhof ... und schüttelte verwirrt den Kopf. Bis zu ihrer Wohnung waren es nur ein paar Schritte. Frau Mohr, ihre Nachbarin, würde sich beschweren, aber was machte das schon ... sie hatte das Gefühl, diesem fremden Mann helfen zu müssen. Beherzt packte sie den Verletzten unter der Achsel, zerrte ihr Fahrrad mit der anderen Hand hoch und schleppte dann Mann und Fahrrad unter Aufbringung ihrer ganzen Kraft die letzten Meter über den leergefegten Roncalliplatz zwischen den geschlossenen Buden hindurch bis zu dem sandfarbenen Eckhaus mit dem Giebeltürmchen, in dem sie wohnte.
     
    Der Kater begrüßte Eliana miauend, als sie die Tür zu ihrer Altbauwohnung aufstieß. Ohne ihn weiter zu beachten, schleppte sie den fast bewusstlosen Mann in ihr Schlafzimmer, wo sie ihn mit einem erleichterten Stöhnen auf ihrem Bett ablegte. Seine Haut war eiskalt und gefährlich unterkühlt. Hastig kramte sie ein paar Wolldecken aus ihrem Kleiderschrank und wickelte den Verletzten darin ein. Dann rannte sie in die Küche, um saubere Handtücher und Verbandszeug zu holen.
    Während sie suchte, vernahm sie leises Stöhnen und dann einen erschrockenen Schrei, gefolgt von einem Fauchen. Eliana ließ die Handtücher fallen und lief zurück ins Schlafzimmer.
    Die Szene hätte komisch sein können, wenn nicht das Blut am Körper des Fremden gewesen wäre. Die Decken hatte er abgeschüttelt und kauerte erschrocken am Kopfende ihres Bettes, während Gabriel am anderen Ende einen Buckel machte.
    „Gabriel, runter vom Bett“, versuchte sie den Kater zu verscheuchen, doch der verteidigte sein Revier und hielt die Augen ohne sie auch nur zu beachten auf den Fremden gerichtet. Eliana öffnete den Kleiderschrank, warf einen ihrer Pullover nach Gabriel und sprach dann beruhigend auf den verstörten Mann ein. „Du musst dich mit den Decken warmhalten, bis der Krankenwagen kommt.“ Sie wechselte in das
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